Fidelius Waldvogel: Schwarzwaldkabarett mit Traktor & Dialekt

Fidelius Waldvogel tourt wieder: Schwarzwald-Kabarett & Bulldogbühne – #heimat trifft Bühnenkultur.

Text: Pascal Cames · Fotos: Jigal Fichtner

Seit 20 Jahren verkörpert Martin Wangler die Kunstfigur Fidelius Waldvogel – und bald geht's wieder mit Traktor auf Tour. Ä Schwätzli übers Fortgehen und badisches Kabarett

Als wir uns mit Kabarettist Martin Wangler in Breitnau zum Interview treffen, ist ein herrlicher Frühlingstag. Auf dem Wanderweg ist schon einiges los und auch die Hühner im offenen Stall sind busy. Der Bulldog-Traktor, mit dem Martin bald wieder seine Wanderbühne durch Baden-Württemberg ziehen wird, hat noch Auszeit bis zum 27. Juni. Dann wird Martin wieder in seiner Rolle als Fidelius Waldvogel und bei einigen Auftritten unterstützt von seiner Band „Die Waldvögel“ sein Publikum auf Badisch unterhalten. Bis dahin bleibt noch Zeit genug für ein Schwätzli über Heimat und Schwarzwälder Kultur, das im Dialekt stattfand und bis auf ein paar Ausnahmen auf Hochditsch aufgeschrieben wurde.

Lieber Martin, ist der Schwarzwald deine Heimat?

Ja, ich komm aus der Gemeinde, wo ich jetzt wohne. Wir haben im alten Pfarrhaus neben der Schule gewohnt. Mein Vater war als Boschbott (Postbote) regional bekannt.

Dann gab’s für den Papa oft einen Schnaps?

Sicher hat er ab und zu einen Schnaps getrunken. Der Postbote war früher das, was heute Social Media ist. Der ist von Hof zu Hof und hat immer die neuesten Sachen gewusst und Zeit für ein Schwätzli (Gespräch) gehabt. Das ist das, was heutzutage den Leuten an sozialen Kontakten fehlt. Mein Papa hat auf dem Feldberg die Post ausgetragen, im Winter wie sein Vorgänger Georg Thoma auf Langlaufski.

Kommt daher deine Lust, Geschichten zu erzählen?

Ich habe mich schon immer für die Geschichten aus der Heimat interessiert. Es gibt ja so viele dunkle Schwarzwald-Geschichten, zum Beispiel die, dass die Ross (die Pferde) im Stall am Morgen total verschwitzt sind, weil sie der Teufel in der Nacht geritten hat. Wenn du im Winter bei Sauwetter am Ofen sitzt und du denkst, „ich will nid nuss“ (ich will nicht raus), dann macht das kuschelige Gruseln natürlich am meisten Spaß.

Hast du schon als Kind davon geträumt, Schauspieler zu werden?

Nein, das hatte ich nicht im Kopf. Ich hatte mich in der Landjugend engagiert und da haben wir kabarettistische Szenen gespielt. Das hat mir Spaß gemacht. Aber ich bin im Schwarzwald in Breitnau großgeworden und ich war Hauptschüler. Und da macht man nach der Hauptschule eine Lehre! Ich habe eine Zimmermannslehre abgeschlossen und bin dann vom Dach geflogen und habe mir beide Flügel gebrochen.

Dann hat man viel Zeit zum Nachdenken …

Mir war klar, dass ich nicht mehr als Zimmermann arbeiten kann. Da ich von Zivildienstleistenden gepflegt wurde, habe ich mir gesagt, das mache ich auch, und habe mir überlegt, ob ich Krankenpfleger oder Arzt werden will. Auf dem Kolping-Kolleg habe ich Abi nachgeholt und parallel angefangen, als Statist am Theater zu arbeiten. Weil sich der Feuerschlucker verschluckt hatte – das konnte ich von der Landjugend – bin ich für ihn eingesprungen und habe so meine erste Rolle bekommen. Danach habe ich auf einer privaten Schauspielschule vorgesprochen. Die hätten mich gleich genommen, aber ich hatte nicht das nötige Kleingeld. Zum Glück hat es in Salzburg am Mozarteum mit dem Schauspielstudium geklappt. Ich war der Einzige mit einem ausgeprägten Dialekt.

Was macht man da?

Also, ich habe mühsam versucht, ihn mir über Sprecherziehung abzutrainieren. Als ich in Oldenburg Theater spielte, sagte der Intendant: „Schön, dass wir Sie dahaben. Das mit dem Hochdeutsch, das kriegen wir auch noch hin.“

Wie geht’s einem Schwarzwälder in so einer hochkulturellen
Umgebung?

Ich kam vom Bau, da habe ich mich am Anfang schon schwergetan. Aber es gab einen Professor in Salzburg und der hat mir Mut gemacht: „Herr Wangler, solche Leute wie Sie brauchen wir!

Was hat deinem Professor an dir gefallen?

Das Erdige. Ich war kein verkopfter Schauspieler. Und das Wichtigste war halt immer, das Ding muss auch irgendwo Spaß machen. Auch wenn ich eine tragische Rolle spiele, zum Beispiel den „Ackermann und der Tod“ in der Kapelle St. Oswald im Höllental.

Hat dir die Fremde gutgetan?

Unbedingt. Ich finde, man muss auch mal weg vom Schwarzwald, dann weiß man, wie es woanders ist. Vielleicht ein Wesenszug vom Schwarzwälder: Er will immer weg, und wenn er weg ist, will er wieder heim.

Wie der Hans im Schnokeloch?

Ja, genau! Das ist wirklich diese Ambivalenz. Aber ich finde es sehr wertvoll, wenn man weiß, wie es woanders ist, man dort Kontakte knüpft und eine gute Nachbarschaft pflegt. In Oldenburg konnte ich, wie im Schwarzwald, einfach mal „ich muss mal kurz weg, kannst du bitte auf die Kinder aufpassen“ zum Nachbarn rufen. Das ist echt wertvoll.

Wie hast du den Dialekt als Bühnenthema für dich entdeckt?

In Norddeutschland, in Oldenburg, in einem Winter ohne Schnee, minus 5 Grad. Wenn du aus Breitnau kommst, dann fehlt dir als Schwarzwälder was: Schnee! Ist für mich ein Grundbedürfnis. Aus diesem Gefühl des Fehlens von Schnee, Bergen, Schwarzwälder Speck und Bratwürsten entstand mein erstes Heimatprogramm: Breitnau Calling.

Wie bist du zum Fidelius gekommen?

Die Breitnauer Bauernbühne hat mich gefragt, ob ich an ihrem Theaterabend etwas machen könnte. Ich dachte, ein Monolog aus „Hamlet“ wäre möglich, und habe mich dann für einen verschrobenen Wälder (einer vom Hochschwarzwald) entschieden. Das waren die Anfänge vom Fidelius. Der Kabarettist Martin Schley –Gott hab ihn selig – hat mich ermuntert, es gebe keine badische Dialektfigur und ob ich mir eine überlegen wolle.

Das hast du aufgegriffen …

Dann bin ich losgelaufen. 2005 habe ich das erste Programm aufgeführt. Danach kamen verschiedene andere Kabarettprogramme zur Aufführung.  Mit der ersten sommerlichen Bulldogtour mit der Wanderbühne bin ich 2016 gestartet und von da an ging es richtig ab.

Wo oder wie findest du deine Witze?

Offen durch die Welt laufen, in der Familie, bim Ziddung läsen, mit der Litt schwätze. Also ich bin nicht der Typ, der im stillen Kämmerlein sitzt.

Was ist lustig für dich?

Lustig wird es immer mit einem Drama. Zum Beispiel beim Thema Wolf, einem Stadt-Land-Konflikt. Wenn ich in der Stadt wohnen würde, hätte ich auch keine Angst vor dem Wolf. Aber wenn du vier Kilometer durch den Wald heimläufst, ohne Beleuchtung, dann legst du automatisch einen Gang zu und fühlst dich anders betroffen.

Ein Mann kommt ’rum

Erstes: Martin Wanglers Wanderbühne steht bei ihm daheim unterm Dach. Hier genießt er schon mal das Gefühl von auf den „Brettern, die die Welt bedeuten“

Zweites: Die Wanderbühne ist in einen Bauwagen eingebaut, der von Martin persönlich von Ort zu Ort chauffiert wird

Dann müsstest du in den Freiburger Vierteln Vauban und Wiehre spielen?

Habe ich auch schon gemacht. Bloß haben die einen anderen Humor. Beim „Wilderer-Abend“ bringe ich am Anfang einen ausgestopften Rehbock mit auf die Bühne. Im urbanen Raum kommen Ekelgeräusche aus dem Publikum und wenn ich auf dem Land spiele, dann ist das normal. Wenn du mit der Landwirtschaft groß geworden bist, hast du einen anderen Umgang – auch mit toten Tieren.

Du bringst den Leuten Kultur aufs LandWelche?

Die eigene. Die ist bei uns nicht so explizit wie in Bayern — ab in die Lederhose und dann geht es zum Oktoberfest! Nein, im Schwarzwald haben wir eine andere Kultur. Ich schaue immer, was gibt es noch bei uns. Das will ich zeigen und in den Vordergrund rücken. Und das versuche ich auch mit der Musik, die wir machen, nämlich Schwarzwälder Traditionen wieder aufleben zu lassen.

Der Schwarzwälder hat’s schwer mit seiner Kultur?

Das hängt von verschiedenen Sachen ab. Einmal von der Sprache: Wenn ein Bayer sagt: „I bin a Bauer“, dann versteht man das auch in Flensburg. Wenn ein Schwarzwälder „i bin ä Buur“ sagt, fragen die nördlich der Mainlinie, „what the fuck is ä Buur?“ In Bayern war es so, dass König Ludwig im 19. Jahrhundert viele kulturelle Eigenheiten  hat aufschreiben lassen. Das hat man bei uns ewig verpasst. Die Nazis haben das Thema Heimat für ihre Zwecke missbraucht, und deshalb war das Thema hier lange Zeit verpönt.

Tragisch!

Als ich vor 20 Jahren damit angefangen habe, einen Heimatabend zu machen, dachten alle: „Was isch denn des? Ein Heimatabend! Des isch sowas von altbacken!“ Und jetzt ist es hip! Hashtag Heimat!

Martin On Tour

Am 27. Juni startet Martins Tour durchs Ländle in Schönwald und am 20. Juli endet sie in Hinterzarten. Für einige Auftritte wird er von seiner Band Die Waldvögel begleitet. Martin fährt mit dem Bulldog bis zu 120 Kilometer am Tag. Statt in Hotels oder Pensionen schläft er im Bauwagen.

Mehr Infos zur Tour gibt es auf der Webseite https://www.fidelius-waldvogel.de/

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