Zu Besuch im "Schwarzwälder Hirsch"

Wie geht Inklusion? Das war Thema der Vox-Doku „Zum Schwarzwälder Hirsch“. Drehort: das Hofgut Himmelreich. Wir waren da

Text: Sophie Radix Fotos: Thomas Niedermüller

Es geht heiß her im Himmelreich. In der Lehrküche der Hofgut-Akademie werden am Montagmorgen fleißig Salate geputzt, Gemüse angebraten und Birnen geschält. Diese Küche ist mittlerweile deutschlandweit bekannt: Die Himmelreich Akademie war Drehort für die Vox-Doku „Zum Schwarzwälder Hirsch“. Tim Mälzer coachte hier gemeinsam mit Schauspieler André Dietz 13 Menschen mit Down-Syndrom.

Über acht Wochen lernten die Doku-Teilnehmer in der Lehrküche in Himmelreich. Danach sollten sie einen Monat lang ihr Restaurant selbstständig führen. Die Protagonisten der Doku hatten sich direkt bei der TV-Produktionsfirma beworben, waren also keine Akademie-Schüler. Zwei der Teilnehmer haben aber im Anschluss an die Drehzeit einen Berufsvorbereitungskurs im Himmelreich begonnen.  

Dieser Kurs dauert 18 Monate: Die ersten vier Monate verbringen die Teilnehmer in der Akademie. Deutsch, Englisch und Küchentheorie stehen auf dem Programm. Und: Natürlich sind die Erfahrungen in der Lehrküche ein wichtiger Bestandteil der Ausbildung. Im Anschluss wechseln die Schüler in Partnerbetriebe und kehren dann noch mal in die Akademie zurück. Heute bereiten vier Schüler, die kurz vor dem Abschluss ihres Kurses stehen, gemeinsam mit Lehrkoch Marc Diehm alles für das Personalessen vor. Sie haben verschiedenene kognitive Beeinträchtigungen, zum Beispiel ADHS, Autismus oder Trisomie 21. Aber davon bremsen lässt sich hier niemand.

Ab ins Berufsleben!

Die 20-jährige Philomena schwenkt noch schnell ein paar Birnen in Karamell, während sie von ihrem Werdegang berichtet: „Trotz oder gerade wegen meiner Lernschwäche war mir Selbstständigkeit immer wichtig. Ich bin freiwillig in ein Internat an den Bodensee – und wollte unbedingt die Ausbildung hier machen.“ 

Nun steht sie vor dem erfolgreichen Abschluss der Berufsvorbereitung und hat einen festen Job in Aussicht. Die Akademie kooperiert dafür mit verschiedenen Betrieben aus der Gastronomie und dem Einzelhandel, in denen die Aspiranten über Monate praktische Berufserfahrung sammeln.

Nach der Ausbildung werden die Azubis idealerweise übernommen. „Ich habe im Servicebereich eines Restaurants gearbeitet“, erzählt Philomena stolz. „Mir hat das großen Spaß gemacht. Im Moment sprechen wir über einen Vertrag für eine Festanstellung.“ 

Philomena ist mittlerweile auch Kameras gewöhnt: Seit der Fernsehdoku trudeln immer mehr journalistische Anfragen im Himmelreich ein. Aber deshalb hektisch werden? Fehlanzeige. Unter Aufsicht von Marc Diehm geht es entspannt zu. Der Lehrkoch war übrigens auch ein wichtiger Ansprechpartner für Tim Mälzer. Das Fernsehprojekt war ein Riesenerfolg und ist derzeit für den Grimme-Preis nominiert. Wie war’s mit Tim? „Eine gute Erfahrung“, sagt Marc. Denn: „Er hat gut zugehört, wenn wir darüber gesprochen haben, wie wir mit unseren Akademieschülern arbeiten.“

Für die Teilnehmer eines parallel laufenden Berufsvorbereitungskurses steht der Start ins Berufsleben nun an. Morgen geht’s los im Partnerbetrieb. Nervosität liegt in der Luft. Verständlich. Der erste Arbeitstag ist schließlich aufregend genug! Geübt wird mit Rollenspielen, in der die Teilnehmer eine Situation mit dem Gast nachstellen. In ihrem Partnerbetrieb können die Teilnehmer dann direkt umsetzen, was sie in der Hofgut-Küche gelernt haben.

Viele Türen stehen offen

Vier Branchen stehen den Teilnehmern offen – darunter der Einzelhandel. Das freut besonders die 19-jährige Alena: „Ich liebe es, Dinge zu verkaufen“, schwärmt sie. Logisch, dass sie über ihre Stelle hinter der Verkaufstheke einer Bäckerei besonders happy ist.  

Die Bezeichnung „nicht ausbildungsfähig“ ist übrigens Voraussetzung für eine Förderung der Agentur für Arbeit. Der Kurs beweist dann in der Regel das Gegenteil – nämlich, dass die Teilnehmer doch fähig sind, zu lernen und fester Bestandteil des Arbeitsmarktes zu werden. Acht von zehn Teilnehmern erhalten nach der Berufsvorbereitung einen Arbeitsvertrag in ihrem Partnerbetrieb. „Unsere Auszubildenden leisten dann idealerweise 50 Prozent der Arbeit eines Arbeiters ohne kognitive Beeinträchtigung“, erklärt Sophie Altenburger, die Teamleitung der Berufsvorbereitung.  

Über die vielen Anfragen und die Medienaufmerksamkeit freut sie sich übrigens, denn:  „Durch die hohe Einschaltquote der Doku ist das Thema Inklusion endlich mehr in den Fokus gerückt“, sagt sie. „Und das wurde auch Zeit! Endlich wird mehr über Inklusion gesprochen – und wie viel Luft nach oben in dem Bereich noch ist.“  Sophie ist seit den Anfängen Teil der Akademie. In Zusammenarbeit mit der IHK riefen sie und ihr Team sogar eine neue Modulprüfung ins Leben.„Unsere Teilnehmer bekommen schwarz auf weiß die Bestätigung über ihre erfolgreiche Teilnahme an unserem Kurs “, erzählt sie.  „Dann folgt der Start ins Berufsleben.  Wir wollen zeigen, dass Inklusion auf jeden Fall möglich ist!“

Die Hofgut Himmelreich Akademie

Im Hofgut Himmelreich werden junge Menschen mit kognitiven Einschränkungen für den Start ins Berufsleben gerüstet. Die für den Grimme-Preis nominierte Vox-Doku "Zum Schwarzwälder Hirsch" wurde in dem Inklusionsbetrieb gedreht. Die Doku zeigte, wie Fernsehkoch Tim Mälzer und Schauspieler André Dietz 13 Menschen mit Down-Syndrom coachten. Das Ziel: Die Protagonisten sollten möglichst selbstständig ein Restaurant leiten.
Mehr Infos über die Akademie: www.hofguthimmelreich.de/akademie

#heimat Schwarzwald Ausgabe 37 (2/2023)

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