Tag 2
Samstag, 10 Uhr
Ein Samstagmorgen in Offenburg ohne Markt ist wie Paris ohne Bücherstände. Undenkbar! Vom Lindenplatz über die Steinstraße bis zu den Pagoden und sogar noch weiter steht Marktstand an Marktstand. Mütterchen aus dem Kinzigtal mit zwei Glas Marmelade, türkische Mumyas mit Koriander und glatter Petersilie, Biobauern mit Rosen, Blumenhändler, Bauern, die wie versprenge Volksarmisten ausschauen, das russische Mütterchen mit Ochsenherztomaten, Nussplantagenbesitzer aus der Provence … Alles da, aber wo anfangen? Am besten beim Schmelzebeck Helmut aus Sankt Georgen. Zwar rollt er wie immer zuletzt aus dem tiefen Schwarzwald heran, aber das Warten lohnt sich. Seine Brezel ist die beste. Oder eine dicke Scheibe Nusszopf? Herrlich, einfach auf die Hand oder für später fürs Picknick! Auch gut am Markt sind Bibeleskäs, Schwarzwurst und Wienerle bei Martina und nebenan beim Wurststand Spinner die Spinnerle (dünne Dauerwurst) sowie der Speck. Käse ist wichtig. Hier gerate ich zwischen die Fronten der beiden Elsässer Käsewagen an der Hauptstraße. Einen Barikas (Bergkäse) oder einen normannischen Brie? Gut, beides geht auch und dazu natürlich une baguette, das es hier original aus Fronkreisch gibt. Noch einen Frischkäse bei Meister Frenk und einen Schnaps dazu, den es gratis gibt. Der immer gut gelaunte Mann ist halt noch vom alten Schlag! Aber halt, wäre eine Pause jetzt nicht angebracht?
Samstag, 12 Uhr
Ich eile die Steinstraße hoch, am Sankt Georgener vorbei, Brezel sind jetzt aus, und weiter ins Z-Café und zische eine Limo. Hausgemacht. Und dann erwischt mich wieder der Kaffeedurst, retour in die Steinstraße, hinein in die Kaffeemanufaktur, die jetzt ein bisschen voller geworden ist. Viel französisch ist hier zu hören. Das Arnolds ist klasse, wenn man einen gebrühten Kaffee mag. O je, wird jetzt einer denken: Willst du Sophia Thomallas Großmutter einladen oder deren Enkelin? Ein Filterkaffee muss nicht altbacken sein, das wird mir klar, als ich den Mann mit der Mütze treffe. Jens Arnold ist wie alle Menschen, die erst spät zu ihrem Lebensthema finden, ein Überzeugungstäter. Seit er aus Lust und nicht aus Lebensplanung den Laden übernommen hat, brummen Kaffeemaschine und Geschäft, erklingen die Kaffeebohnen wie die ungeschriebene fünfte Jahreszeit von Vivaldi, die Auszeit. Boulemeister, Journalisten, der Landtagsabgeordnete (schon wieder der …) und andere hocken an ihren kleinen Tischen. Dazwischen kommen Jung und Alt um einen „Bonga Forest“ (Äthiopien) oder einen Pamwamba (Malawi) zu kaufen. Wie in Wiener Kaffeehäusern sitzt man auch hier hinter übergroßen Zeitungen – und macht den knappen Raum noch enger. Herr Arnold, es ist zu eng! Aber warum beschweren, wenn die Nussecke so köstlich schmeckt? Isst man eine, kauft man zwei, dann hat man was für später. Jetzt wäre es doch an der Zeit, noch ein paar Geschenke für daheim zu besorgen! Also schaue ich bei Rupert vorbei. Ein echtes Offenburger Original. Seine Trödlerkiste ist bis unters Dach gefüllt mit allen möglichen Sachen. Rupert findet seine Schätze bei Haus- und Klösterauflösungen. Statt für eine Kirche, brauche ich etwas für meine Küche. Zum Beispiel ein Hackebeil, das gut in der Hand liegt. „30 Mark“, brummt Rupert. Aber auch Teller, Töpfe und Tassen, Messer und Gabel hat er auf Lager. Dazu natürlich Emailleschilder, Betschdorfer Gebinde, falsche Blumen …
Und im Keller liegen uralte Weinflaschen, die wahrscheinlich zu trinken vergessen wurden. „Kunscht und Kitsch“, sagt Rupert auf gut Badisch. „Trinksch einer mit?“ Das Likörchen oder Weinchen ablehnen, ist schlimmer, wie ohne Einkauf den Laden verlassen. „Das kriegst du auch, wenn du nichts kaufst“, sagt er und gießt ein. Eine weitere schöne Geschenkadresse ist die Villa Romantica in einem Hinterhof in der Steinstraße. Hier finde ich schönes Geschirr, Krüge, Karaffen, Teekannen. „Alles Handarbeit“, sagt Antoinette. Dieses Mal kein Schnaps …