Shaolin im Schwarzwald
Der Bruce Lee aus dem Black Forest nimmt uns mit in sein Dojo – und ändert unser Bild von Kung Fu von Grund auf
Rund 10 000 Kilometer liegt Baiersbronn von der chinesischen Stadt Dengfeng entfernt – eine ordentliche Strecke, falls wir sie zu Fuß gehen wollten, durch Wüsten und über den Himalaya.
In Dengfeng liegt das Ursprungskloster des Shaolin Kung-Fu-Ordens, was uns sofort an David Carradine erinnert aus der Fernsehserie Kung Fu, an Jackie Chan oder den legendären Bruce Lee. Womöglich haben deren Kampfstile aber nur wenig mit Kung Fu zu tun – und deshalb sind wir hier: Im Baiersbronner Ableger Asiatic der Freudenstädter Kampfkunstschule Dragon & Tiger wollen wir unsere Unkenntnis über Kung Fu ein für alle Mal beseitigen. Und so erwarten uns René-Pascal Dziuk und seine Partnerin Stephanie-Marie Müller im Dojo – und wir erwarten natürlich, dass sie gleich mal Steinplatten mit gezielten Handkantenschlägen zertrümmern und Eisenstangen an ihren Halsmuskeln verbiegen. Das ist doch Kung Fu, oder? Zum Glück können die beiden über unsere Ignoranz nur milde lächeln …
Harte Arbeit? Kennen wir!
„Wörtlich übersetzt bedeutet Kung Fu einfach nur ,harte Arbeit‘“, verrät René-Pascal Dziuk, der für uns Laien mit seiner würdevollen Erscheinung durchaus als Shaolin-Mönch durchgehen würde. „Dieser Begriff lässt sich jedoch weit fassen. Kung Fu ist eine der ältesten Kampfkünste der Welts und sicher die umfangreichste. Dazu wird ein Lebensweg beschrieben, der die Umsetzung philosophischer Werte beinhaltet.“
Das klingt schon mal nicht nach Hau-drauf-und-Schluss. Damit hat Kung Fu auch nichts zu tun, bestätigt René-Pascal Dziuk. Da passt es gut, dass er zwar Sifu – was so viel heißt wie Vater-Lehrer – des traditionellen Shaolin Kung Fu sowie Kickbox-Trainer ist, aber auch Gewaltpräventions-Pädagoge und ausgebildete Sicherheitsfachkraft für sexualisierte Gewalt bei Kindern. Stephanie-Marie Müller wiederum ist Erlebnis-Pädagogin und Fachfrau für Gewaltprävention, dazu Rettungsschwimmerin. Lange Zeit war sie als Entwicklungshelferin in Thailand tätig, wo sie nebenbei ihrer Kung-Fu-Leidenschaft frönte. Irgendwann zog es die Schwarzwälderin in die Heimat zurück – und dort traf sie auf den gebürtigen Hamburger. „Und zwar beim Eisbaden“, erzählt uns Stephanie-Marie Müller, denn auch dafür hat sie einen Trainerschein. Also doch! Kung Fu ist Abhärtung pur! „Nennen wir es lieber Bewegungskunst für Jung und Alt, für Mann und Frau, die hervorragend die Rückenmuskulatur stärkt und chronischen Leiden wie Migräne oder Arthrose vorbeugt“, sagt René-Pascal Dziuk.
Kids ab 3: die Kung-Fu-Pandas
Weil man mit Sport nicht früh genug anfangen kann, wird im Dragon & Tiger viel Wert auf die Förderung von Kindern gelegt. Und so tummeln sich bei den Kung-Fu-Pandas schon Kids ab drei Jahren. „Im spielerischen Training werden sie gelenkig, lernen Selbstvertrauen, Teamgeist und Disziplin“, sagt Stephanie-Marie Müller, was wir live miterleben, weil in einem der großzügigen und hellen Trainingsräumen eine Schar Kinder am Herumtoben ist. Ihrem Lachen nach haben sie viel Spaß.
„Sie üben die Kung-Fu-Tierstile Affe, Tiger, Schlange, Drache, Kranich, Adler, Gottesanbeterin und Leopard“, erklärt Stephanie-Marie Müller. Ehrlich gesagt, kriegen wir auf einmal Lust, mitzumachen. Nur sind wir ein paar Jahrzehnte älter und nicht mehr ganz so gelenkig. „Das macht nichts“, sagt René-Pascal Dziuk. „Bei uns trainieren Menschen im Alter von 70, 80 und sogar 90 Jahren. Die machen nicht alle Kung Fu.“
Tatsächlich punktet das Dragon & Tiger mit einem breiten sportlichen Angebot. Klar gibt es Kung Fu, Kickboxen und Boxen, aber auch Qi Gong, Yoga und Pilates. Viele Kurse sind so organisiert, dass Eltern zeitgleich mit ihren Kindern trainieren können – das kommt gut an. Dazu gesellt sich ein modern eingerichtetes Studio für Leute, die an Geräten und Freihanteln ihre Muckis stählen wollen. Was nicht nur dann Sinn macht, wenn man nach dem Training in einem der Baiersbronner Gourmet-Tempel den schweren Löffel zum Mund führen muss.