Die unbekannten Dörfer des Schwarzwalds

Kuckucksuhr und Bollenhut: Das ist der Schwarzwald, ja. Aber da liegt noch viel mehr im Verborgenen – etwa das Heidelbeerdorf oder Hans mit de Giige

Text: Katerina Ankerhold

Stille, Gemütlichkeit, Tradition: Nicht nur an den altbekannten Orten bietet der Schwarzwald Urlaubern von nah und fern viele Möglichkeiten zum Entdecken, Schlemmen, zum Naturgenießen oder einfach zum Ausspannen. Von Nord nach Süd und von West nach Ost verbergen sich hinter Gipfeln und Tannenwäldern etliche Dörfer, deren Namen vielen völlig unbekannt sind. Dabei bergen diese Flecken häufig ganz besondere Handwerkskunst, Wandermöglichkeiten oder hochspannende Geschichte.

Um den Blick in diese hintersten Winkel des Schwarzwalds zu lenken, hat die Schwarzwald Tourismus GmbH die Initiative „Dorfurlaub“ ins Leben gerufen. 21 Dörfer stellen sich mit all ihren Geheimnissen und Persönlichkeiten vor. Wir haben uns fünf davon genauer angeschaut – und dabei festgestellt: Urlaub vor der Haustür kann auch ganz schön verlockend sein. Denn das Gute liegt bekanntlich im Kleinen …

Enzklösterle: das Heidelbeerdorf

Im Nordschwarzwald, rund 30 Kilometer südöstlich von Baden-Baden und eingebettet in Wiesen und Tannenwälder, liegt Enzklösterle. Seinen Zweitnamen Heidelbeerdorf verdankt der Ort dem Umstand, dass sich die Heidelbeere auf ganz natürliche Weise in den Wäldern am Rande des größten deutschen Hochmoor-Naturschutzgebiets ausbreitet. Früher lebten die Dorfbewohner vom aufwendigen Sammeln und dem Verkauf der blauen Beere. Und auch heute ist sie das Wahrzeichen des Orts und für Besucher unübersehbar.

Revierf rster Stefan Waidelich ist deshalb besonders stolz auf den Heidelbeerweg. Auf knapp 13 Kilometern führt der Rundweg an etlichen Heidelbeersträuchern vorbei. Besonderes Highlight des einfach zu bewältigenden Schwarzwälder Genießerpfads ist die Durchquerung einer moosbewachsenen Felsenlandschaft auf einem schmalen Pfad. Der Weg führt an der Heidelbeerplattform vorbei, von der aus man einen herrlichen Blick über den Ort genießt. Wildromantische können sich hier oben sogar das Ja-Wort geben. Wer dem Dorf im Winter einen Besuch abstattet, dem empfiehlt sich das 135 Kilometer lange Loipennetz rund um Enzklösterle.

Genussfreudige kommen am besten im Sommer nach Enzklösterle: Jedes Jahr im Juli gebühren die Dorfbewohner ihrer edlen Waldfrucht beim Heidelbeerfest alle Ehre. Mit Köstlichkeiten wie Heidelbeerwein oder Heidelbeerwasser wird dann ordentlich geschlemmt. Produkte aller Art aus Blaubeeren gibt es ganzjährig auch im Heidelbeer-Haus.

Heidelbeer-Haus: www.heidelbeer-haus.de

Infos zum Wanderweg: www.enzkloesterle.de

Unterharmersbach: Hahn und Henne

Schwarzwaldhäuschen, traditionelle Gastronomie und wunderschöne Landschaften prägen das Harmersbachtal, wo Zell am Harmersbach mit seinem Ortsteil Unterharmersbach sowie Oberharmersbach und Nordrach liegen. Bekanntheit erlangte die Gegend im mittleren Schwarzwald durch die Zeller Keramik, wo seit 225 Jahren das traditionelle Hahn-und-Henne-Geschirr entsteht. Besuchern wird gerne ein Blick hinter die Kulissen gewährt. Wer mag, darf auch selbst Hand anlegen. Wanderfreudige können der Harmersbacher Tradition auch aktiv und naturnah auf die Spur gehen: Der Genießerpfad Hahn-und-Henne-Runde führt rund 14 Kilometer lang rund um das Hinterhambachtal. Liebevoll gestaltete Rastplätze im Hahn-und-Henne-Look laden zu Pausen mit tollen Ausblicken ein. Und auch der 945 Meter hohe Brandenkopf lässt sich prima wandernd erklimmen. Von oben reicht der Blick über das gesamte Kinzigtal und den mittleren Schwarzwald.

Das Vesper findet sich ganz einfach bei den zahlreichen regionalen Erzeugern und Hofläden, etwa bei Familie Schwarz oder auf dem Hugeseppehof (hier wird man vor allem auf der Suche nach flüssiger Wegzehrung fündig). Wer gerne einkehrt, wird sich über das Angebot in der Gaststätte Vogt auf Mühlstein sowie im Berggasthof Durben freuen. Letzterer lockt mit Bauernbrot, Bauernbratwürsten und Schwarzwälder Schinken.

Für Kunstinteressierte lohnt sich wiederum ein Besuch im Heimatmuseum Fürstenberger Hof, das einen detailreichen Einblick ins Landleben gewährt. Ebenfalls zu bestaunen gibt es die größte badische Wallfahrtskirche, Maria zu den Ketten. Zeitgenössische Kunst von Christo bis Josph Beuys findet sich in der Villa Haiss.

Zeller Keramik: www.zeller-keramik.de

Infos zum Wanderweg: www.zell.de/3156135

Übernachtungstipp: Im Ferienhaus Charlotte wohnt es sich gemütlich in einem freistehenden Schwarzwaldhäuschen: www.ferienhaus-zell.de

Herrischried und Rickenbach: die Sagen-Dörfer

Ganz im Süden des Schwarzwalds liegen die beiden Dörfchen Herrischried und Rickenbach nebeneinander – inmitten des sagenumwobenen Hotzenwalds. Wanderer können sich hier auf die Spuren des Burgherrn Hans von Wieladingen begeben: Hoch oben über dem Murgtal, auf einem Felssporn bei Rickenbach thront die Burgruine Wieladingen. Der Sage nach trieb der Burgherr hier im Jahr 1320 sein Unwesen, indem er vorbeikommende Kaufleute als Geigenspieler verkleidet ablenkte, während seine Knechte die Waren der Händler von deren Karren räumten. Besonders bei Sonnenaufgang kommt hier oben eine sagenhafte Stimmung auf. Und mit etwas (Un-)Glück begegnet man vielleicht auch dem Geist vom „Hans mit de Giige“ …

Für Besucher, die einen ortskundigen Einblick in Natur und Legenden genießen möchten, bietet sich eine geführte Wanderung mit Johann Lauber an. Der Hotzenwälder lebt seit mehr als 82 Jahren im südlichen Schwarzwald und ist eng mit der Gegend verbunden. Seine Wanderungen bietet er im Rahmen des Schwarzwaldvereins Ortsgruppe Vorderer Hotzenwald an und führt dabei seine Gäste auch gerne mal an abgelegene Stellen, die allein mit einer Wanderkarte nicht zu finden sind.

Für Schlemmer lohnen sich Abstecher zu den vielen Direktvermarktern in beiden Orten. Pflanzenfreunde wiederum werden im Hof Berg-Garten fündig, wo sich alles um Wildpflanzen, Samen und ihre Vermehrung dreht. Ebenfalls empfehlenswert für einen Besuch ist die Werkstatt von Dirk Bürklin, einem der letzten Glasmacher im Schwarzwald. Hier kann man dem Meister über die Schulter schauen und sich in Kursen auch selbst an die heiße Masse heranwagen.

Infos zu den Wandertouren: Johann Lauber, Telefon 0 77 65 / 3 06

Hof Berg-Garten: www.hof-berggarten.de

Übernachtungstipp: Auf dem Biohof Gerspach können Abenteuerlustige im Weinfass übernachten: www.gerspach-schweikhof.de

Wieden: das Bergdorf

Malerisch in einem Seitental des Südschwarzwalds liegt das Bergdorf Wieden am Fuße des Belchen. Der Ort und seine Geschichte sind geprägt vom Bergbau: Der Abbau von Silber und Bleiglanz prägte zwischen dem 13. Jahrhundert und 1974 das Dorfleben. Heute lässt sich das Gewerk bei einem Besuch im Besucherbergwerk Finstergrund erleben – dem einzigen mit Grubenbahnbetrieb im Schwarzwald.

Tradition hat in Wieden auch das Köhlerhandwerk, das Lukas Sprich mit dem Bau eines Kohlenmeilers nach historischem Vorbild im vergangenen Jahr wieder aufleben ließ. Aus regionalem Buchenholz stellt er hochqualitative Holzkohle her, die sich besonders gut zum Grillen eignet. Vor Ort bekommen Interessierte Informationen und Einblick in das jahrhundertealte Handwerk und können anschließend auch „frische“ Kohle kaufen. 

Für Wanderer bietet der Belchen mit sagenhaftem Rundumblick ein schönes Ausflugsziel – zum Beispiel auf dem 15 Kilometer langen Genießerpfad Belchensteig, der mit Ausblicken auf die Alpen, Vogesen, den Schwarzwald und die Rheinebene besticht.

Genießer sollten nicht den Honiglikör von Naturpark-Imker Walter Falger verpassen und ebenso der Konfitüren-Manufaktur Faller einen Besuch abstatten. Hier werden die Marmeladen noch im offenen Kupferkessel gekocht und von Hand gerührt.

Infos zum Bergwerk: www.finstergrund.de

Infos zum Wanderweg: www.belchensteig.de

Klein, aber fein

Ob sagenumwobene Geschichte, seltenes Traditionshandwerk, ungewöhnliche Köstlichkeiten oder atemberaubende Naturspektakel – unter den 21 Dörfern, die für die Initiative Dorfurlaub der Schwarzwald Tourismus GmbH ausgewählt wurden, findet sich für alle Interessen und Geschmäcker etwas. Auch in allen Himmelsrichtungen des Schwarzwalds werden Besucher fündig. Alle Infos zu den Dörfern, Ausflugs-, Einkehr- und Einkaufstipps gibt es unter www.dorfurlaub.info

#heimat Schwarzwald Ausgabe 25 (2/2021)

Ob Hüftgold vom Titisee, blütenschnuppern im Renchtal oder hobbygärtnern auf Balkonien - Wir haben richtig Bock auf Frühling!

#heimat, der Genussbotschafter für den Schwarzwald 

In der Zeitschrift #heimat geht es um Genuss in der Region, um (kulinarische) Traditionen und gute Adressen, um Manufakturen und Menschen. Idee und Konzept für #heimat stammen von Chefredakteur Ulf Tietge und seinem Team. Das Magazin wurde 2016 mit dem Ortenauer Marketingpreis ausgezeichnet und ist inzwischen bundesweit erhältlich.

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