Almut und das Bier ohne Bart

Lehramt ade, Brauhandwerk ahoi. Almut Emma Zinn hat sich entschieden, mit 46 – obwohl sie Bier lange gar nicht mochte

Text: Catarina Chakrabarty Fotos: Stephanie Fihn

Almut duftet. Besser gesagt: Alles hier duftet. Schon im Treppenhaus begrüßt uns der süßliche Duft von warmem Malz. Auf dem kleinen Balkon der Freiburgerin brodelt Maische. Eine kleine Gasflasche nährt das Feuer, lässt Stärke zu Zucker werden. Willkommen bei Almut Zinn, der Frau hinter Emma – Biere ohne Bart.

In ihrer kleinen Kreativ-Küche bereitet sie die erste Hopfengabe vor. „Ich trage alles in mein Brauprotokoll ein, um später nachzuvollziehen, was passiert ist“, sagt Almut. Manchmal entstehen durch Fehler auch neue Rezepte. So war es auch beim Zapotopaz – einem American Strong Ale. Almut hatte Freunde zu Besuch und die Würze köchelte unbeaufsichtigt vor sich hin. So verdampfte in kurzer Zeit viel Flüssigkeit. Stammwürze-Konzentration: 20 Grad Plato. Normal sind 11 bis 13 …

„Ich dachte erst, es sei ungenießbar“, sagt die Freiburgerin. „Aber ich schütte so ungern etwas weg.“ Also doch Flaschen- und Kaltreifung. Vier Wochen später entpuppte sich der bittere Sud als richtig gutes Bier.

„Dieses Glück hat man natürlich nicht immer“, sagt Almut, während sie den Hopfen in die Maische gibt. Für ihr Kuckucksrot hat sie etwa fünf Test-sude gebraucht. Sprudelnd lösen sich die Hallertauer Magnum-Pellets in der Maische auf. Ein grüner Schimmer überzieht das warme Rotbraun. Der süßliche Duft bekommt eine fruchtig-harzige Note. Immer wieder überprüft Almut die Temperatur. Die erste Hopfengabe ist zur Bitterung gedacht – der Gegenpart zum süßen Malz. 

„Hopfen ist für mich wie ein Gewürz, und so sollte man ihn auch verwenden“, sagt sie. „Wenn ich Hopfen ausschließlich zur Bitterung nehme, ist das, wie wenn ich nur mit Salz und Pfeffer würze – langweilig.“ Almut liebt das kreative Tüfteln. Früher hat sie sich vorher alles genau überlegt und aufgeschrieben – heute probiert sie einfach aus. Denn allein mit Wasser, Hefe, Malz und Hopfen können Aromen von Litschi und Mandarine, Pinienharz oder Schokolade kreiert werden. 

Bei Almut zu Hause entstehen nur Testsude. Ihre Biere braut sie schließlich bei der Brauerei Rogg. Dort hat sie einen 2000 Liter Gärtank gemietet. Fünf bis sechs Wochen reift das Bier hier, und so lange es im Gärtank ist, telefoniert Almut täglich mit dem Braumeister. Sie bestimmt, was wann gemacht wird, wie viel Grad das Bier zu welchem Zeitpunkt haben darf und wann die Hefe abgelassen wird. Zum Abfüllen, Zwickeln und Kalthopfen ist sie selbst vor Ort. 

Hätte ihr das jemand vor zehn Jahren erzählt, Almut hätte ihn für verrückt erklärt. Damals mochte sie lieber Wein. Bier war ihr zu langweilig. Die Liebe zum Craft-Beer hat sich, wie bei vielen Brauern, auf zwei USA-Reisen entwickelt. „Ich war begeistert von den Aromen“, sagt Almut. „Ich dachte die ganze Zeit: ‚Mensch, da muss doch noch was Anderes drin sein. Irgendwelche Früchte oder so.‘“ Dem war aber nicht so. 

In Freiburg gab es damals noch keine Craft-Beer-Szene. Also bestellte sich die 46-Jährige belgische Biere. Zunächst Kriek. Dann Trappistenbiere. „Eines hat wie ein schwerer, feuchter Schokokuchen mit Trockenfrüchten geschmeckt, nur eben in flüssiger Form – das war Wahnsinn“, schwärmt Almut. Nebenher fing sie bereits an, selbst zu experimentieren. 

Am Anfang variierte sie viel mit Hopfensorten, seit Kurzem mit Hefen. 

So auch bei der neuen Kuckucksrot-Edition, die wir probieren dürfen. Geschmacklich ist diese um einiges fruchtiger und würziger als das Original. „Das liegt allein an der zweiten Hefe“, sagt Almut, während sie auf dem Balkon die nächste Hopfengabe in den Sud gibt. Diesmal ein zitronig duftender Hopfen namens Citra. 

Kurz vor Ende der Kochzeit, dem sogenannten Flame Out, fängt die Flüssigkeit an zu flocken. Das kommt vom Eiweißbruch und ist wichtig für die Bierklärung. Kein Grund zur Sorge also. Almut hievt den schweren Topf auf den Tisch. Kräftig rührt sie im Sud. Durch die Bewegung setzen sich die Trubstoffe unten in einem Kegel ab. Mit dem Bierheber schlaucht Almut die Flüssigkeit in einen Eimer für die erste Gärung. Wenn die Flüssigkeit den Kegel nicht mehr komplett bedeckt, fängt er an sich aufzulösen. Sofort nimmt sie den Bierheber raus. Die Trubstoffe sollen schließlich nicht wieder zurück ins geklärte Bier.

Den Eimer stellt die Brauerin dann in ein kühles Wasserbad, bis der Sud eine hefefreundliche Temperatur hat. „Hefe fühlt sich bei den gleichen Temperaturen wohl wie der Mensch“, erklärt Almut. Bei 37 Grad Celsius leidet sie und bei 40 Grad Celsius stirbt sie langsam.  

Almuts Mann war anfangs ihr größter Kritiker. Heute sei er ihr Fels in der Brandung und lieferte sogar den markanten Slogan: „Emma – Biere ohne Bart.“ Der typische Brauer trägt Bart – ein langweiliger Witz auch. Ihre Biere sind aber alles andere als langweilig – ohne Bart eben. Und durch ihren zweiten Vornamen Emma gibt sie dem Ganzen einen persönlichen und weiblichen Touch. 

Vom Bier leben kann sie noch nicht. Dennoch hat Almut diesen Sommer ihren Job als Lehrerin aufgegeben. Eine Entscheidung, die ihr viele schlaflose Nächte beschert hatte. Aber sie geht dieses Risiko ein. Denn wenn sie etwas liebt, kann sie nicht einfach damit aufhören – und wenn sie etwas macht, dann macht sie es ganz. „Besser man probiert Dinge aus und scheitert, als dass man sein Leben lang bereut, es nicht getan zu haben“, sagt Almut. „Wenn man etwas mit Herzblut macht, wird es auch gut.“ Ein gutes Bier jedenfalls ist schon mal ein Erfolgsgarant. 

#heimat Ortenau Ausgabe 9 (4/2017)

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