Oldtimer mit E-Antrieb: Legend Motors macht Klassiker in Villingen-Schwenningen fit für die Zukunft.

Oldtimer und E-Antrieb? Passt wunderbar zusammen, beweist Clemens Hummel aus Villingen-Schwenningen. Wir schauen seinen Schätzen unter die Haube ...

Text: Dominik Bloedner Fotos: Maxi Höck
Wer braucht da einen Tesla?

E-Mobilität gibt es im Schwarzwald länger, als man glaubt: Schon gewusst, dass das erste in Deutschland entwickelte, in Serie produzierte und frei verkaufte E-Auto Hotzenblitz hieß und Anfang der 90er-Jahre in Ibach von Konstrukteur Thomas Albiez erdacht wurde? Die Produktion musste nach wenigen Jahren eingestellt werden, doch vielleicht gelingt das Comeback  ...

Clemens Hummel dreht den Zündschlüssel und gibt Gas. Erst ein wenig, dann drückt er auf die Tube. Ein lautes Wrooooom dröhnt durch die Werkstatt, es bläst einen fast weg. „Ein brutaler Sound, Wahnsinn“, freut er sich. Was hier wummert, ist ein Alpina B7 Turbo aus dem Jahr 1987 auf Basis des BMW E24 6er-Coupe. 400 PS hat der Wagen, Rennsitze, keinen Katalysator, der Marktwert liegt bei etwa 100 000 Euro. „Eine Rarität, die Nummer 94 von nur 110 gebauten Exemplaren“, sagt Clemens. Fünfzehn Jahre stand das Geschoss in einer Garage, nun soll es in seiner auf Oldtimer spezialisierten Werkstatt namens Legend Motors, im Gewerbegebiet im Norden von Villingen-Schwenningen, wieder fit für die Straße gemacht werden.

Aus dem Wummern wird ein Zischen

Der 41-Jährige steigt aus, streicht versonnen über den Lack und sagt: „Der Alpina-BMW begeistert selbst mich. Dabei bin auch ich ja inzwischen für Elektroantriebe, die Technik wird nicht mehr aufzuhalten sein.“ Doch Clemens Hummel, gelernter Kfz-Mechaniker, schafft es, seine Liebe für alte Autos und seine Begeisterung für die Energiewende unter einen Hut zu bekommen.

Gegenüber vom schwarzen BMW steht Clemens Version einer perfekten Synthese aus alt und neu: eine goldene Mercedes 280 SL Pagode, Baujahr 1971, 170 PS, 6 Zylinder aus 2,8 Liter Hubraum. Ein Schmuckstück, scheckheftgepflegt, rund 80 000 Euro wert und eher ein Cruiser als ein Flitzer. In den Motorraum der Pagode will er in mehreren hundert Stunden filigraner Arbeit für etwa den gleichen Geldbetrag einen Elektromotor einbauen. Im Juni soll das umgebaute Fahrzeug seinem Besitzer in der Ortenau übergeben werden. Es wird dann nicht der erste auf Elektroantrieb umgerüstete Oldtimer sein, der die 300 Quadratmeter große Werkstatt verlässt. Zuvor wurde ein Porsche 914, Baujahr 1976, umgerüstet. Acht bis zehn Fahrzeuge können pro Jahr hier umgewandelt werden. Statt lautem „Wrooooom“ ein leises „Zisch“. Doch wer bitte macht denn so etwas? Wer verzichtet freiwillig auf den satten Sound seines Oldtimers? Auf das schöne Gefühl, sich von der Vergangenheit gemütlich und stilvoll durch die Landschaft treiben zu lassen? Diskretion gehört zum Geschäft. So viel verrät Clemens Hummel: „In der Regel sind das Männer, über 50 Jahre alt, die das Geld dafür übrig haben. Jungs und ihre Spielzeuge eben“, sagt er und lacht wissend. Um dann hinzuzufügen: „Ein sinnloser Spaß ist das nicht, im Gegenteil.“

Clemens selbst, zweifacher Vater, ist schon ziemlich lange dabei mit dem Tüfteln, Schrauben, Reparieren, mit dem Benzin im Blut. Einer seiner Nachbarn fährt in der Freizeit Autocross-Rennen, bereits als Achtjähriger schaut ihm Clemens in der Garage über die Schulter, hilft mit, lernt viel. Logisch, dass nach der Realschule dann die Lehre kommt, er geht zur Mercedes-Benz-Niederlassung vor Ort, wird übernommen und arbeitet dann ein gutes Jahr als Geselle. „Acht Ölwechsel am Tag. Ich merkte schnell, dass es nicht das ist, was ich den Rest meines Lebens machen möchte“, erzählt er.

Von Benzin im Blut zu Strom im Herzen

Clemens Hummel macht stattdessen die Fachhochschulreife, geht dann an die Fachhochschule in Furtwangen, um dort Product Engineering – eine Mischung aus Maschinenbau, Elektrotechnik und Wirtschaftsingenieurwesen – zu studieren. „Die perfekte Kombination für mich.“ Nach dem Studium heuert er bei Waldmann Lichttechnik in Villingen-Schwenningen an, arbeitet sich hoch und kümmert sich um die Entwicklung von neuen LED-Leuchten. „Meine Babys hier“, sagt er und deutet auf die schicken Stehlampen in seinem Büro. Er hat seitdem auch Strom im Blut.

Die Werkstatt kommt in Fahrt

Doch die Fahrzeugtechnik lässt den Ingenieur und Bastler nicht los. Er wechselt zur Niederlassung des japanischen Konzerns Minebea Mitsumi, der in Villingen-Schwenningen die Firma PMDM, eine Ausgründung des Ventilatorenherstellers EBM-Papst, übernommen hatte. Am Standort entwickelt der Konzern Automotive-Produkte, Clemens Hummel kümmert sich als Projektleiter um Ventile und andere elektromechanische Komponenten, die etwa für die Steuerung der Kühlung von Elektromotoren und Batterien zuständig sind. Kunden sind Audi und Porsche. Nebenher betreibt er seit 2012 ein Sachverständigenbüro und erstellt Gutachten. 2019 schließlich gründet er Legend Motors, macht Schulungen und bereitet sich auf die Selbstständigkeit vor. Ein paar Urlaube gehen dafür drauf. 2021 wagt er den Schritt, alles eigenfinanziert. Die Freunde sagen zwar: „Du bist bekloppt! Du hast ein Haus, du hast eine Familie, du hast einen gutbezahlten, sicheren Job!“. Doch Clemens sagt heute rückblickend: „Wenn ich es da nicht gemacht hätte, hätte ich mein ganzes Leben diesem Traum hinterhergetrauert.“

Ein Truck mit E-Antrieb

Die Werkstatt läuft, fünf Mitarbeiter sind es. 2025 soll eine neue, größere Werkstatt bezogen werden. Erstmals nimmt der Ingenieur hierfür einen Kredit auf. Es geht um Restauration, Unfallinstandsetzung, Fahrzeugbau und das Steckenpferd Electric Vehicle Conversion. Er selbst hat einige Oldtimer: einen VW T2 Bus Westfalia, Baujahr 1978, in dem er mit seiner Frau in der Jugend halb Europa bereist hat; einen VW Golf 1 von 1976 mit hübschen Chromstoßstangen; zahlreiche Motorräder von Ducati oder BMW; einen zitronengelben, schmucken Porsche 911 Targa mit schwarzen Ledersitzen, der ebenfalls gerade in der Werkstatt steht zur Restaurierung („in den habe ich mich sofort verliebt“); und einen imposanten Mercedes G in Tarnfarben. Der Truck soll auch bald mit E-Antrieb fahren.

„Wir sind nicht die Ersten, schon vor rund 15 Jahren haben Freaks und Bastler damit angefangen“, sagt Clemens Hummel. In München oder Stuttgart gebe es ähnliche Werkstätten. Kann das funktionieren? Trotz der Schwierigkeit, die E-Autos auf dem Markt haben? Der Ingenieur hofft, dass sich das neue Mindset bald durchsetzt. „Schau mal das Thema Rauchen in der Kneipe an. Früher war undenkbar, dass da mal ein Rauchverbot kommt. Doch es kam, und geht man heute in eine Raucherkneipe, dann ist das eine harte Nummer.“ Die Zeiten ändern sich, meint er. Er selbst sei als junger Mann noch mit drei Freunden einfach so mal nach Singen in den McDonald’s gefahren – jeder natürlich im eigenen Auto. „Das gibt es heute nicht mehr so.“ Das Umweltthema sei ihm wichtig.

Zurück in die Zukunft

Auch der Kunde mit dem hübschen goldenen Mercedes-Cabriolet sei von den eigenen Abgasen genervt, verrät Clemens. „Der Mann fährt ansonsten auch ein Elektroauto und will die Vorzüge des E-Antriebs – leise und schnelle Beschleunigung – auch in seinem Oldtimer haben.“

Aber wie macht man das konkret? „Das Auto wird komplett vermessen, dann stimmen wir individuell die Wünsche des Kunden ab“, erklärt der Chef von Legend Motors. „Was für ein Motor soll es sein? Welche Reichweite soll er haben? Wie teuer darf es werden?“ Dann komme der Gang zum TÜV in Balingen im Zollernalbkreis, der auf EV Conversion spezialisiert sei. Erst dann geht es ans Werkeln. Motor, Auspuff und Tank werden ausgebaut, ein neuer Motor der Aachener Firma Engiro eingebaut. Und dann noch das Feintuning, die speziellen Wünsche. So will der Pagode-Besitzer kein modernes Display, wie es in E-Autos üblich ist, sondern das alte, liebgewonnene Armaturenbrett behalten. Der Ladezustand der Batterie soll also fortan an der alten Tankanzeige ablesbar sein. Der Ingenieur hat auch dafür eine Lösung. Er glaubt daran, an die Zukunft der E-Mobilität – egal, was politisch in Berlin oder Brüssel noch so passieren mag.

Auch bereit zum Umstellen?

Die Oldtimer-Werkstatt von Clemens Hummel findet Ihr in der Werner-von-Siemens-Straße 5 in Villingen-Schwenningen. Und online!

#heimat Schwarzwald Ausgabe 49 (2/2025)

172 Seiten – so dick haben wir noch nie aufgetragen! Außer vielleicht bei der Kirschtorte, die uns Konditorin Lisa Rudiger am Titisee gebacken hat. Klar, das Rezept verraten wir Euch. Außerdem gibt’s von uns zum Geburtstag Einblicke hinter die Kulissen unserer Magazin-Manufaktur, ein fettes Gewinnspiel mit zehn handverlesenen Preisen aus dem Schwarzwald und die vielleicht schönsten Trachtenfotos seit es den Bollenhut gibt …

Dabei soll es Euch nicht zu heiß werden. Zur Abkühlung laden wir zur Kanutour auf dem Schluchsee, 
zum Biken am Rhein und aufs Melonenfeld. Richtig: Mit Früchten aus dem Markgräflerland und Adler-Chef Daniel Fehrenbacher heben wir den Sommersnack auf Fine-Dining-Niveau.

Apropos saftig: Steht Ihr sommers am Grill und fragt Euch, wie das perfekte Steak gelingt? Damit ist Schluss, dank Grillgott Heiner vom Forum Culinaire. Zu perfekt gegarten Fleisch servieren wir feinste Gin-Tonic-Kräuterbutter und Kartoffeltaler mit Speck und Jalapeños. So kann das Gartenfest kommen!

In diesem Sinne: Auf viele weitere Jahre #heimat! Wir hoffen, Ihr seid dabei!

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