Besuch beim Harley-Treffen in Schramberg

Nicht nur auf der Route 66 fühlen sich Harley-Davidson-Fahrer wohl, sondern auch auf schmalen Straßen im Schwarzwald. Wir waren beim Treffen in Schramberg dabei ...

Text: Daniel Oliver Bachmann · Fotos: Jigal Fichtner

Starke Motoren blubbern, Benzingeruch liegt in der Schramberger Luft. Da kommen sie auch schon: hunderte Motorräder der Marke Harley-Davidson, blitzend und blinkend in der Sonne. Und die Fahrerinnen und Fahrer darauf? Holla, die Waldfee, da sind echte Typen darunter! Vielen ist die Lust nach Freiheit auf der Straße geradezu ins Gesicht gemeißelt. Wenn das Nature Park Chapter, das in diesem Jahr sein zehntes Jubiläum feiert, zum Treffen in den Schwarzwald einlädt, geht ein wahres Harleyluja durch die Bikergemeinschaft ...

 

Frei und familienfreundlich

Einer von ihnen ist George Tanasa. Der gebürtiger Rumäne lebt seit Jahr und Tag in Oberndorf, und er fährt seit Jahr und Tag Harley-Davidson. Um genau zu sein, ist der 71-Jährige seit 53 Jahren Harley-Fan. Heute hat er seine Softail Deluxe mit nach Schramberg gebracht. Zuhause steht noch eine Fat Boy. Das ist das Erste, was ich heute lerne: Der Trend geht eindeutig zur Zweit- oder Dritt-Maschine.

Die Markentreue wird dabei in der Harley-Davidson-Familie großgeschrieben. Und von einer Familie kann man durchaus sprechen. Das bestätigt mir Joe Fink, Director des Nature Park Chapters: „Bei uns fahren viele Frauen selbst, und die Kinder sind immer mit dabei.“ Er klärt mich auf, was es mit dem Namen Chapter auf sich hat – den Begriff findet man schließlich auch bei Hells Angels oder Bandidos. „Viele Clubs pflegen eine Verbindung zu einem Vertragshändler, dann ist es ein Chapter“, sagte er. „Wir dagegen verzichten auf so eine Bindung und sind deshalb ein unabhängiges Free Chapter.“ 2014 wurde der Club gegründet, seither ist er in Schramberg Gastgeber für Harley-Davidson-Treffen.

Joe selbst fährt seit 26 Jahren Harley und ist mit einer goldfarbenen E-Glide vertreten. Seine Frau Stéphanie fährt eine Deluxe. Sie freut sich ebenfalls über die familiäre Verbundenheit der Harley-Davidson-Gemeinschaft. „Es sind meist komfortable Maschinen“, sagt sie. „Da können wir die Kinder mitnehmen.“ Ob Sohn Oscar nicht lieber selbst fahren will? Immerhin bekam er bereits im zarten Alter von sechs Jahren seine erste Harley, eine Sporty 48. Der Nachwuchs steht also bereit …

Safety first zahlt sich aus!

Während wir uns unterhalten, reihen sich die Harley-Davidson-Enthusiasten zum Slow Race auf. Das ist eine Geschicklichkeitsprüfung, bei der die Fahrer eine Strecke von einigen hundert Metern so langsam wie möglich zurücklegen, ohne mit den Füßen den Boden zu berühren. „Keine einfache Sache“, meint Achim Bendigkeit, der das Startzeichen gibt. Er muss es wissen, denn der passionierte Harley-Fahrer ist ADAC Fahrsicherheitstrainer und Instruktor für Offroad Trainings. Klarer Sieger wird Frank Eisenheiß aus Kehl. Ohne zu wackeln steuert er seine 300 Kilo schwere Street-Bob im Zeitlupentempo durch die Schramberger Hauptstraße.

Sein Geheimnis? „Ich habe letzte Woche ein Fahrsicherheitstraining absolviert“, lacht er. „Auf dem Programm stand: Langsamfahren.“ Okay, aber ihr könnt auch anders? Kaum gefragt, kriege ich die Antwort mit dem einzigartigen Harley-Sound serviert. Das Ganze nennt sich Burn out, und wer’s nicht drauf hat, sollte die Finger davon lassen. Vor den begeisterten Zuschauern lassen die Biker das Hinterrad kreisen, bis es qualmt. Wie das geht? Kupplung ziehen, Gang rein, Gashahn hoch, Kupplung kommen lassen, aber, ganz wichtig: Auf keinen Fall die Bremse loslassen. Sonst wird daraus ein Luftsprung à la Evil Kniefel, dem berühmten Motorrad-Stuntman, der es auf 433 Knochenbrüche brachte.

Nach so viel „gib mal Gummi“ wird es Zeit, die Händlermeile aufzusuchen. Dort treffe ich Robert „Scorpio“ Fischer. Er trägt einen schottischen Kilt und eine Frisur wie Robert de Niro im Film „Taxi Driver“, ist aber waschechter Franke. Der Schrauberkönig hat sich darauf spezialisiert, in Scheunen und Garagen Harley-Davidson-Maschinen von anno Tobak aufzustöbern und flottzumachen. Während er mich in die Geheimnisse des typischen Harley-Sounds einweiht und dabei rätselhafte Worte verwendet wie Pleuel, Hubzapfen, Zylinderwinkel und Kurbelwellenumdrehung, röhren schon wieder Motoren. Die Ausfahrt durch den Schwarzwald steht an. Für die Gäste aus Norddeutschland wie das Chapter aus Bremen oder das Chapter aus dem Teutoburger Wald ist die Strecke nach Freudenstadt und 24 Höfe ein Leckerbissen.

Auf einmal erspähe ich Hansy Vogt. Der Sänger, Fernsehmoderator und Schwarzwaldbotschafter ist auf seiner Softail Slim mit Bikern der Black Forest Group Ortenau am Start. Neben ihm haben sich Fahrer des Alemannen Chapters aus Weil am Rhein aufgereiht. Es ist die einzige trinationale Harley-Gruppe mit Mitgliedern aus Frankreich, der Schweiz und Deutschland. Vorne am Start komme ich mit Bikern aus Schweden ins Gespräch. Für sie muss die Runde doch ein Klacks sein, schließlich haben sie ein paar tausend Kilometer bis nach Schramberg zurückgelegt? „The Black Forest is always a challenge“, sagt Dennis Gustaffson und grinst, weshalb ich dem bärtigen Hünen nicht so recht abnehmen will, dass er sich von den Kurven hoch zum Kniebis herausgefordert fühlt. Dann geht es los. Unwillkürlich denke ich an Peter Fonda und Dennis Hopper in „Easy Rider“, dem kultigsten Harley-Film aller Zeiten. „Get your motor running“, singt die Gruppe Steppenwolf, und genau das passiert jetzt: Aberhunderte Motoren donnern auf, und ich kann spüren, was der Mythos Harley-Davidson bedeutet: „Lookin' for adventure and whatever comes our way“. Für die Fahrer kommen jetzt erstmal das Schiltachtal und das Wolfstal. In dieser traumhaften Schwarzwald-Kulisse lassen sich bestimmt genügend Abenteuer erleben.

Mitfahrer gesucht?

Mehr Infos über das Nature Park Chapter gibt es unter www.natureparkchapter.de

#heimat Schwarzwald Ausgabe 46 (5/2024)

Weitere tolle Artikel aus der #heimat

Dem Trüffel auf der Spur

Edle Pilze aus dem Schwarzwald

Tuber aus der Ortenau? Oda und Hans-Georg Pfüller aus Kappel-Grafenhausen haben ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht. Und auch ihre Hunde sind wild au...
Feines mit Milch, Quark und Co.

Schwarzwaldmilch: ein Kochbuch voller kuh-ler Rezepte

Kühe und Schwarzwald – das gehört zusammen. Schwarzwaldmilch zeigt euch, was man aus Sahne und Co. alles zaubern kann… 
heimat+ Obstbrände aus dem Hanauerland

Brennerei Kesselkunst: Hauptsach’ s’ birnt

Daniel Kehret bewahrt alte Birnensorten vor dem Aussterben. Schöner Nebeneffekt: Dabei entstehen leckere Brände...
Interview: Ein Freiburger in England

Wie Jürgen the Bread zum Baking-Star wurde

Im Schwarzwald unbekannt, in England ein Star. Unser Interview mit Jürgen Krauss über Briten, Brot und Brezeln
... Schwarzwald Motorradfahren im Schwarzwald