Werden wir mal konkret: Was bleibt Euch vom Schnitzel mit Pommes für 18,50 Euro am Ende als Deckungsbeitrag?
Ein Zehntel. Also nicht mal ganz 2 Euro. Man darf ja nicht vergessen, dass wir auch an anderen Stellen mit höheren Kosten zu kämpfen haben. Die Löhne sind bei uns zuletzt um 20 Prozent gestiegen, die Energiekosten im Haus um 45 Prozent in zwölf Monaten. Wenn die Mehrwertsteuerreduzierung wegfällt, müssen wir über die 20-Euro-Marke hinaus – für ein Schweineschnitzel, wohlgemerkt. Wir reden hier nicht vom Kalb. Das ist schon saftig für die Gäste. Sollte die Sieben-Prozent-Regelung wegfallen, werden sich wahrscheinlich auch einige Wirte nicht trauen, die Preissteigerung weiterzugeben, was wiederum schwierig ist, weil sie sich zum einen selbst betrügen und zum anderen den Wettbewerb mit uns anderen verschärfen. Einen Spielraum sehe ich dabei nicht. Wir werden erhöhen müssen und am Ende kommen weniger Gäste. Genau so würde es sein. Punkt.
Eine Folge davon könnte dann wiederum sein, dass weitere Gasthäuser langfristig schließen werden. Einige hat es ja schon in der Pandemie erwischt. Müssen wir uns Sorgen machen, dass es die gute alte Dorfwirtschaft in der Region bald nicht mehr geben wird?
Ja, darüber muss man sich sowieso schon länger Sorgen machen. Und die Mehrwertsteuergeschichte wird das Wirtshaussterben eher noch beschleunigen. Zumal auch einige der Jungen, die gerade in den Startlöchern stehen, sich unter diesen Umständen die Frage stellen werden, ob sie sich das wirklich antun möchten. Und das ist besonders bitter, schließlich sind diese Gasthäuser ja auch wichtige gemeinschaftliche Orte, wo Geburtstage oder Taufen gefeiert werden, wo es Stammtische gibt, wo die Leute zusammenkommen. Man muss es schon so sagen, wie es ist: Das könnte bald ziemlich duster werden – gerade auf dem Land.
Kannst du jemandem erklären, warum auf den Big Mac mitsamt Verpackungsmüll aus dem McDrive nur 7 Prozent abzuführen sind, aufs Schulessen für Kinder dagegen wieder 19 Prozent, auf Tiernahrung 7 und auf den Salat bei euch künftig wieder 19?
Nein, das kann keiner. Wahrscheinlich nicht mal die Politik selbst. Aber das ist ein guter Punkt, weil er zeigt, dass etwa große Ketten, die logistisch gut aufgestellt sind, da klar im Vorteil sind gegenüber kleinen Familienbetrieben wie uns. Und wenn man ehrlich ist, war diese Regelung schon immer an den Haaren herbeigezogen. In diesen Zeiten noch mal mehr. Warum muss der Gast eigentlich mehr zahlen, wenn er sein Essen auf einem richtigen Teller bekommt und damit in einer Plastikschale weniger? Weil der Mehrwert ist, dass sein Essen an den Platz gebracht wird? Und warum wird es für Fast-Food-Betriebe einfacher als für die, die handwerklich besser zubereitete und entsprechend auch gesündere Speisen anbieten? Das ist doch alles Quatsch!
Das sieht man auch in unseren Nachbarländern so.
Ja, in 23 von 27 EU-Mitgliedsstaaten, um genau zu sein. In den touristischen Ländern sowieso, mit Ausnahme Dänemarks. Dort gilt überall ein niedriger Satz in der Gastronomie.
Wie sähe eine gerechte Regelung aus?
Ich zahle im Lebensmitteleinkauf 7 Prozent Mehrwertsteuer – und die gebe ich an die Kundschaft genau so weiter. Das fände ich gerecht.
Wie ist die Stimmung eigentlich derzeit unter den Schwarzwälder Gastronomen? Tauscht ihr euch in diesen schwierigeren Zeiten mehr aus als früher?
Das machen wir in unserer Generation ohnehin, aber derzeit noch mal mehr. Also ja. Der Fachkräftemangel und die Mehrwertsteuerregelung sind für uns die ganz großen Themen, und bei der Steuersache kenne ich keinen einzigen, der es anders sieht als ich. Ist auch ganz klar, denn noch mal: Es geht hier nicht nur um ein paar Euro mehr oder weniger in unseren Taschen. Es geht hier um unsere Existenzen!
Die Krise schweißt also auch zusammen?
Auf jeden Fall. Und wir sind uns durch unseren Austausch auch bewusst geworden, dass wir für unsere Arbeit, die wir täglich leisten, auch mal zusammen einstehen müssen. In Deutschland heißt es immer, man sei stolz auf unsere Autobauer und auf unsere Industrie. Man darf aber auch mal mindestens genauso stolz auf unsere Gastronomen und ihre Mitarbeiter sein. Was wir seit jeher mit unseren Familien – und es sind in der Regel ja meist kleine Familienbetriebe – und wenig Mitteln so auf die Beine stellen, wird nicht immer gewürdigt.
Das war in der Corona-Zeit auch schon ein Thema.
Richtig. Wenn man von der Politik immer nur gesagt bekommt, man sei eben nicht systemrelevant, ist das nicht sonderlich wertschätzend. Schließlich ist jeder Betrieb, der in einem Land seinen Beitrag leistet, auf die ein oder andere Weise systemrelevant. Das zu verneinen hat schon wehgetan. Und was manche Politiker jetzt zum Thema Mehrwertsteuer von sich geben, ist nicht viel besser. Es ist aber auch so, dass uns viele in diesen Tagen unterstützen. Und das wissen wir auch sehr zu schätzen.
Ihr habt jetzt euer zweites Kind bekommen. Die wichtigste Voraussetzung für eine Zukunft der Familie im Kreuz ist also gegeben. Aber glaubst du daran, dass deine Kinder hier mal irgendwann weitermachen?
Wir hoffen es! Und bis dahin geht ja auch noch einige Zeit ins Land. Doch auch hier zählt: Wenn unsere Kinder später mal eine Chance haben sollen, dann müssen auch die Betriebe gut sein! Dann braucht es Investitionen, es darf keine riesigen Sanierungsstaus geben! Sonst überlegen sich’s die Nachfolger zehnmal, ob sie die runtergekommenen Betriebe ihrer Eltern übernehmen. Unser Haus zum Beispiel ist mehr als 100 Jahre alt, ein schönes altes Schwarzwaldhaus. Da gibt es immer was zu tun, da müssen wir dranbleiben. Wir wollen ja auch nicht nur meckern, sondern anpacken. Aber man muss uns halt auch anpacken lassen …