Der Shaker und Sammler – Lennart Geist aus Karlsruhe

Lennart Geist aus Karlsruhe ist Bartender des Jahres: Regionale Liquid Kitchen, kreative Drinks und eine Bar mit Kultstatus.

Text: Daniel Oliver Bachmann · Fotos: Dimitri Dell

Venedig hat seine weltberühmte Bar, London hat sie, und Paris ohnehin. Und jetzt also Karlsruhe? Lennart Geist, Chef von The Door im Herzen der Fächerstadt, ist auf dem besten Weg, sich einen Namen in der internationalen Barszene zu machen. Mit der Auszeichnung Bartender des Jahres 2025 (Falstaff) spielt er in der Liga der besten Barkeeper Deutschlands mit. Bekannt ist er für seine selbstkreierten Drinks aus der Liquid Kitchen, der flüssigen Küche, mit exotischen Zutaten aus der Umgebung. Privat mag er die guten alten Daiquiris, wie sie auch der so berühmte wie trinkfeste Autor Ernest Hemingway (1899–1961) liebte.

Jura, Wirtschaft oder Gastwirtschaft?

Lennarts Bar The Door sperrte im September 2018 zum ersten Mal ihre Türen auf. Zur Vorgeschichte: Lennart und seine Frau Claudia Álamo Masanet, die von der kanarischen Insel Gran Canaria stammt, lernten sich schon einige Jahre zuvor kennen. Lennart hatte in Konstanz Jura studiert und war in Karlsruhe auf Business Management umgestiegen. Bei einem Job in einem Karlsruher Hotel lernte er Claudia kennen, die im Front Office tätig war. Dachten die beiden schon damals über ein eigenes Geschäft nach? Lennart lacht. „Könnte auf der Hand liegen, weil wir schon im Hotel bewiesen haben, dass wir ein Händchen für das besondere Ambiente haben. Aber der Gedanke kam erst später.“

An Erfahrung mangelte es Lennart jedenfalls nicht. Schon mit 16 Jahren ist er in seiner Heimatstadt Aalen mit der Gastronomie in Berührung gekommen. „Da war alles dabei, vom rustikalen Biergarten über die Diskothek bis zum feinen Top-Restaurant. Später arbeitete ich in einem Spirituosenfachhandel, war Food & Beverage-Manager in einem großen Hotel und leitete zusammen mit Claudia die Café-Bar einer Freundin.“ Es kam also viel Erfahrung zusammen, die seine Frau als Front-Office-Managerin im Roomers Hotel Baden-Baden ergänzte. In die Bar kam der Autodidakt durch eine „Verkettung von Zufällen“. Dass er damit nicht reich wird, macht ihm wenig aus, der Spaß gibt den Ausschlag!

Lange gesucht, endlich gefunden

So gewappnet kann doch nichts schiefgehen beim Wunsch nach der Selbstständigkeit? Lennart lacht. „Bei einer Bar schon“, sagt er. „Denn wir haben lange nach einem Standort gesucht und nie etwas Geeignetes gefunden. Dann stießen wir eines Tages auf diesen Gewölbekeller in der angesagten Hirschstraße. Der war allerdings in einem Zustand, der viel Fantasie erforderte, um sich darin eine optisch ansprechende Bar vorstellen zu können. Wir haben uns trotzdem dafür entschieden – und uns an die Arbeit gemacht.“ Die ist den beiden rundum gelungen. Dabei kleidete Claudias Vater Fernando die Räume mit einem Dekor aus kunstvoll aufgemalten Vögeln aus. Die Tür zum Gewölbe wurde zum Namensgeber von The Door. Sie brauchten Tage, um die zig Lackschichten von der Tür abzukriegen, die sich so aber als wunderschön entpuppte.

Das Team um Lennart und Claudia serviert die Klassiker wie Whiskey Sour, Espresso Martini, Negroni, Old Fashioned oder eben Hemingways Lieblingsdrink, den Daiquiri. Hinzu kommen die besonderen Sip-the-City-Drinks, für die sie wildwachsende Zutaten sammeln, verarbeiten und haltbar machen, um sie am Ende als Kernzutaten für ihre Cocktails zu nutzen. Sip the City bedeutet „an der Stadt nippen“. Wie kam es dazu? Lennart meint, dass jeder mit exotischen Zutaten exotische Drinks machen kann. Aber mit Zutaten aus einem Umkreis von zehn Kilometern? Das ist doch mal Regionalität! Zudem haben die Mitarbeiter beim Sammeln ein bisschen Abwechslung im Arbeitsalltag.

Und was kommt in die Sip-the-City-Drinks rein? „Saisonale und regionale Zutaten wie Magnolienblüten, Nordmanntannennadeln, Nashis, Grüne Walnüsse und Kornel-kirschblüten“, zählt Lennart auf. „Das sammeln wir vom Pfinztal bis nach Durlach, machen daraus Sirups, die wiederum in neuen Drinks Verwendung finden.“ In diesen finden sich auch rosa Pfeffer, Muskat oder Chili, was mit Arbeitstechniken aus der modernen Küche wie Sous-Vide-Bad und Zentrifuge zum modernen Begriff Liquid Kitchen führte. Lennarts Anspruch ist dabei so hoch wie bei einem Gourmetkoch. 

Eine Oase in der Großstadt

Wenn er aus Nordmanntannennadeln (Weißtanne geht auch) eine Essenz herstellt, dann legt er die Nadeln eine Woche in reinem Alkohol ein. Danach ist das Aroma im Alkohol. Das gleiche gilt für die Estragonessenz. „Theoretisch kann das jeder“, sagt er, „aber wer macht sich so viel Mühe?“ Lennart muss die Rezepte testen, denn im  Gegensatz zu den Klassikern, wo alles festgelegt ist, hat er hier zwar alle Freiheiten, aber führen Zutaten, Mengen und Temperaturen auch zum gewünschten Ergebnis? Lennart musste dafür viel Erfahrungen sammeln. Und jede Menge Essenzen und Sirups auf Vorrat produzieren, damit die Zutaten nicht ausgehen.

Neben der Bar gibt es noch The Door Backyard, eine idyllische Terrasse im Hinterhof. In dieser Oase finden BBQ, Tastings und Cocktailkurse statt. Und wer den Geschmack der Bar zu Hause nicht missen will, bestellt sich Bottled Cocktails. Das sind von Lennart hausgemachte trinkfertige Cocktails in Halbliter-Flaschen wie etwa der fruchtige Flamingo mit einem Hauch Gold.

Würde Hemingway noch unter uns weilen, käme er sicher für einen Daiquiri nach Karlsruhe. Vielleicht würde dabei eine Fortsetzung seiner Geschichte „Der alte Mann und das Meer“ entstehen? Wer es mit dem Schreiben nicht so hat, bestellt sich einfach einen würzig-pikanten Nashornvogel aus Curry Infused Nr. 3 London Dry Gin, Mango, Ingwer, Estragon, Kaffir und Zitrone. Das klingt doch auch nach einer Geschichte mit Happy End.

Auf einen Drink zu Lennart?

The Door — Liquid Kitchen & Highballs befindet sich im Untergeschoss der Hirschstraße 17 in Karlsruhe. Mit Terrasse. Di–Sa ab 19 Uhr. 

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Außerdem waren wir bei der Verleihung des Kuckuck-Awards dabei. Danke an alle, die für ihre Genusshelden abgestimmt haben! Wir freuen uns darauf, Gastgebern, Köchen und anderen Genusshandwerkern noch viele Ausgaben weiter eine Bühne zu bieten. Seid dabei!

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