Fahrt ins Blaue: Kanu fahren auf dem Schluchsee!

Weiter, immer weiter. Der Schluchsee im Hochschwarzwald ist groß genug für ein kleines Abenteuer mit dem Kanu!

Text: Pascal Cames · Fotos: Jasmin Fehninger

Ein See wie gemalt – der Schluchsee im Schwarzwald

Gibt es im Schwarzwald einen schöneren See als den Schluchsee? Ortsfremde und einheimische Kritiker werden monieren, dass es ja „nur“ ein Stausee ist und kein richtiger See, dass kein großer Fluss hindurchfließt, dass er viel zu touristisch sei. Alles richtig, liebe Leute. Trotzdem ist es der schönste See im Schwarzwald, denn der aufgestaute Gletschersee des Feldberggletschers liegt inmitten einer Postkarte, die sogar ä bissl an Skandinavien erinnert. Am Ufer wachsen Birken und der Nadelwald ist mit bloßem Auge nicht zu fassen. Dazu die schroffen Felsen. Statt ochsenblutroten Schwedenhäusern sieht man vom Pavillon Amalienruhe auf der Landzuge einen gigantischen Schwarzwaldhof. Wie ein auf dem Kopf liegendes Schiff liegt er da inmitten einer grünen Landschaft. Nein, das kann weder Schweden noch Finnland sein, das ist der Black Forest! Der echte!

Im Kanu unterwegs – mit Technik und Teamgeist

Statt nun zu wandern oder mit Mountainbike auf die andere Seeseite zu radeln, entscheiden wir uns für eine Überfahrt mit einem Kanu. „Kanadier“, sagt der Freiluftmensch Raphael Kuner, der es wissen muss. Schließlich ist er seit dem 16. Lebensjahr unterwegs und paddelte schon alles mögliche auf allen möglichen wilden Gewässern. Vor 26 Jahren fing er „durch eine Verkettung“ von Zufällen in Grenzach mit Bootsverleih und geführten Touren an. Seit zehn Jahren ist er am Schluchsee und will gar nicht mehr weg. „Ich bin ein Schwarzwälder aus Furtwangen“, sagt er „ohne die Berge käme es mir komisch vor.“ Und Berge hat es hier auf fast 1000 Metern Höhe mehr als genug. Vor fast 100 Jahren wurde dieser Platz als idealer Standort auserkoren, um Wasser im großen Stil zu stauen und Strom zu produzieren. Dafür wurde sogar eine Holzfällersiedlung samt Kapelle aufgegeben, deren Reste heute am Seegrund liegen. Die Staumauer ist 63,5 Meter hoch. Der auf 930 Metern gelegene Schluchsee ist nach dem Bodensee der größte See im Ländle. Und er ist der höchstgelegene! Zu zweit, denn alleine schafft man das 20 Kilo schwere Boot nicht, schuften Raphael und ich den fünf Meter langen Kanadier ans Wasser. Das Vesper ist im Rucksack. Im Wasser ist schon ä bissl was los. Ein paar Schwimmer, Leute in Tretbooten oder in Elektrobooten mit 10 km/h Spitze sind zu sehen. Auch Segler hat es und bestimmt lässt sich jemand auf der Luftmatratze durch den sonnigen Tag schaukeln. Wir legen mit dem Kanu ab. Statt weiter zu kiebitzen, muss ich mich jetzt auf mein Handwerk konzentrieren, das nur leicht ausschaut, aber nach ein paar Minuten schon die Muskeln spüren lässt. Wann macht man schon sonst so eine komische Bewegung? „Viele stochern und rühren den See um“, flachst mein Hintermann, der Paddellehrer Raphael Kuner. Was will er damit sagen? Ah, ich verstehe. Ich stochere und rühre im See rum. Immerhin kommen wir vom Fleck und ich fühle mich schon bald wie in einem Film mit Daniel Day-Lewis in Nordamerikas Wäldern. Wow!

WEITERKOMMEN MIT DER RICHTIGEN TECHNIK

„Du, Pascal“, sagt Raphael, „fass das Paddel mal oben an.“ Da oben? „Ja“, lautet die Antwort. Es sieht zwar komisch aus, wenn ich meine Hand über den Knauf lege, aber es fühlt sich zumindest nicht falsch an. „Und unten ein bisschen höher“, lautet die nächste Ansage. Auch das wird gemacht, und so ist zumindest optisch alles im grünen Bereich. Wir haben gerade Kap Amalienruhe umrundet und jetzt ist der ganze Tümpel in all seiner Pracht zu sehen. „Fahr vor und dann links Richtung Feldberg“, sagt Raphael den Spruch, den er den Leuten sagt, wenn sie ein Kanu oder Kajak ausleihen. (Steuer- und Backbord gibt’s im Schwarzwald nicht.) „Da ist es am schönsten.“ Wenn man Richtung Feldberg paddelt, kommt man nach Aha. Wenn man eine andere Richtung wählt, dann an eine der Staumauern oder an eine Vesperwirtschaft. In seinem schwarzwälderisch geschmirgelten Hochdeutsch erklärt mir Raphael, was ich in Sachen Technik noch verbessern könnte. Ich soll das Paddel senkrecht ins Wasser stechen, aber mich beim Durchziehen von der Idee leiten lassen, dass ich einen Anker ins Wasser gelassen haben. Wenn ich mit dem Paddel wieder rausgehe, dann soll ich es in einem Bogen über dem Wasser nach vorne ziehen. Wenn ich ankere, dann soll es auch einen kurzen Moment geben, wo sich das Paddel anfühlt, als würde es auf einem Stein treffen. So erklärt er es mir später und schnippt dabei mit dem Finger. Es klingt so leicht, braucht aber Übung. Wenn ich mich dann noch etwas aus der Hüfte bewegen und das Paddel nicht nur mit den Händen bewegen würde ...

Naturerlebnis auf dem Wasser – paddeln mit Panorama

Wir paddeln immer weiter auf das Wasser hinaus. Was mich aber etwas nervös macht, schließlich spüre ich jede Welle direkt am Hosenboden, wo mir das seltsame Gefühl in Mark und Bein geht. Gibt es hier Strömungen? Vielleicht ein unterirdischer Fluss? Gegenwind? Nein, es sind nur Windwellen, erklärt Raphael. Das Geschaukel ist für einen Neumatrosen wie mich enorm, aber wir stechen tapfer in den See und ich denke immer an den Anker und an den Bogen, sobald ich das Paddel aus dem Wasser ziehe, und dann wieder an den Anker, manchmal sogar an die Hüfte, was mir dann aber zu hoch ist. Ich soll das Paddel noch etwas weiter vorne ins Wasser ankern, lautet der nächste Tipp. Aye, aye, Käpt’n! Ruckzuck sind wir jetzt auf der anderen Seeseite, wo an gefühlt jeder zugänglichen Stelle Leute baden. Alle haben sie Platz genug für ihr Vergnügen, auch wenn man an sonnigen Tagen ein bisschen radeln oder wandern oder sich auch durchs Gebüsch schlagen muss, bis man endlich unter einer Birke oder sonst wo ein freies Eckchen gefunden hat. Aber dann fühlt man sich am Schluchsee wie im Paradies!

Tipps für dein Abenteuer am Schluchsee

Wir paddeln weiter, es folgt ein Sandstrand und gegenüber die Vesperstube Unterkrummenhof, wo König Wurstsalat regiert und hunderte von Wanderern und Radlern – nicht übertrieben – glückliche Stunden erleben. Dort halten sogar die Panoramaboote, die vom Ort Schluchsee starten. Wir lassen diesen Place to be links liegen und queren noch einmal den großen See.
65 Meter ist er tief. Das Wasser ist dunkel. Der Wellengang wird stärker. Der Wind bläst. Wie wäre es erst auf dem Meer?

Was du bei deiner Kanutour auf dem Schluchsee beachten solltest:

  • Unterschätze den Wind nichtschon kleine Böen können Wellen erzeugen.
  • Bleib aufmerksam: Der Wellengang kann sich schnell verändern – besonders in der Seemitte.
  • Plane Zwischenstopps einetwa an Sandstränden oder bei einer der Vesperwirtschaften direkt am Wasser.
  • Achte auf vorbeifahrende Boote wie die Panoramaboote – sie erzeugen Schwell und lenken ab.
  • Tiefes Wasser = kühles WasserSchwimmen oder Kentern will gut überlegt sein.

Warum Kanu fahren im Hochschwarzwald einfach glücklich macht

Jetzt, wo es so gut läuft, habe ich auch ein Ohr, um Raphael zuzuhören. Hin und wieder bietet er Reisen an, wo man vier, fünf, vielleicht sogar sechs Stunden am Stück paddeln kann. „Das Kanu ist ein Vehikel“, sagt er, was aus seinem Mund wie ein trockener Gesetzestext klingt. Natürlich geht’s nicht nur darum, um von A nach B zu kommen, sondern auch um die richtige Technik, die bei mir immer noch nicht ganz ausgereift ist. (Alles andere wäre wohl ein Wunder.) Immerhin rühre ich nicht mehr den See um. Wieder ankere ich das Paddel, dann ziehe ich es an mir vorbei, hole es aus dem Wasser – und daran denke ich tatsächlich – führe es in einem Halbkreis nach vorne. Wir kommen voran und sind jetzt auf der anderen Seeseite, wo sich die Leute zwischen den Steinen fläzen.

Ganz schön was los

Zu sehen sind: Eine rauchende Blondine, ein Glatzkopf am Handy, zwei Leute im Gespräch. Auf der Straße Richtung Bärental bzw. St. Blasien sind kleine Autos, aus dem Dorf Schluchsee ragt eine Kirche mit weißem Zwiebelturm in den Himmel und über allem thront der Riesenbühlturm. Zudem rauscht hier eine Eisenbahn durch. Auf der anderen Seite (Richtung Aha) scheint ein ganzes Nest von Segelbooten zu sein. Als wir wieder in Richtung „offene See“ paddeln, wird der Seegang stärker. Wie wird das Boot eigentlich gelenkt? Das macht immer die Person, die hinten sitzt, sagt Raphael. Das Kanu braucht kein Ruder, um die Richtung zu ändern, gelenkt wird mit dem Paddel. 

Die Windwellen werden stärker. Gibt es nicht doch einen eiskalten unterirdischen Strom? Oder einen Verwandten des Mummelseegeistes? Oder ein versunkenes Dorf mit einem aus dem See ragenden Kirchturm? Nichts da, weder Mythen noch Sagen sind bekannt, ein Monster oder ein Seegeist wurden nie gesehen und es läuten auch nicht die Kirchenglocken einer versunkenen Holzarbeitersiedlung. Es ist einfach nur verdammt viel Wasser und Wind.

Tapfer stechen wir weiter in den See. Ich denke an die Idee vom Anker, bemühe mich um den Halbkreis, denke wieder an die Idee vom Anker und vergesse die Vesperwirtschaft und das Picknick, das von mir spazieren gefahren wird. „Beim nächsten Mal“, seufze ich. Aber Hunger habe ich eh keinen, nur Durst. Mit einem Bier in der Hand schauen Raphael und ich aufs Wasser, wo um die 20 Segelboote ankern, die sich sachte auf und ab bewegen. Daneben liegen ein paar kleine, mit Tüchern bespannte Motorboote, die an Dschunken erinnern. Weiter hinten strampelt ein junges Pärchen im Tretboot aufs Wasser hinaus. Honeymoon! Ja, sogar ein Schwimmer winkt. (Da er lacht, wissen wir, es ist kein Notfall.) Auch wenn’s schon später Nachmittag ist, dämmert es mir: Nicht immer ruft der Berg. Im Hochschwarzwald ist’s der See. Komm schwimmen, strampeln, segeln, einmal drum herum wandern oder halt paddeln.

Lust auf Seegang?

Raphael Kuner und sein Team bieten am Schluchsee (Seeweg 2) für Schulklassen oder Gruppen verschiedene Kurse an, z. B. eine Tour mit dem SUP für zehn Leute oder geführte Kanutouren. Raphael verleiht auch SUP, Packraft, Kanu und Kajak. Mehr dazu unter rafftaff.de.

#heimat Schwarzwald Ausgabe 49 (2/2025)

172 Seiten – so dick haben wir noch nie aufgetragen! Außer vielleicht bei der Kirschtorte, die uns Konditorin Lisa Rudiger am Titisee gebacken hat. Klar, das Rezept verraten wir Euch. Außerdem gibt’s von uns zum Geburtstag Einblicke hinter die Kulissen unserer Magazin-Manufaktur, ein fettes Gewinnspiel mit zehn handverlesenen Preisen aus dem Schwarzwald und die vielleicht schönsten Trachtenfotos seit es den Bollenhut gibt …

Dabei soll es Euch nicht zu heiß werden. Zur Abkühlung laden wir zur Kanutour auf dem Schluchsee, 
zum Biken am Rhein und aufs Melonenfeld. Richtig: Mit Früchten aus dem Markgräflerland und Adler-Chef Daniel Fehrenbacher heben wir den Sommersnack auf Fine-Dining-Niveau.

Apropos saftig: Steht Ihr sommers am Grill und fragt Euch, wie das perfekte Steak gelingt? Damit ist Schluss, dank Grillgott Heiner vom Forum Culinaire. Zu perfekt gegarten Fleisch servieren wir feinste Gin-Tonic-Kräuterbutter und Kartoffeltaler mit Speck und Jalapeños. So kann das Gartenfest kommen!

In diesem Sinne: Auf viele weitere Jahre #heimat! Wir hoffen, Ihr seid dabei!

Weitere tolle Artikel aus der #heimat

Reportagen

Eine Portion Wahnsinn - 10 Jahre #heimat Schwarzwald

10 Jahre #heimat: Ulf Tietge über Schinken, Schwarzwald, Printmagazine & warum wir nicht digital verschwinden.
All about Brand!

Wir brennen für unsere Heimat!

Obstbrände gehören zur Region wie Kirschtorte und Kuckucksuhr – und doch fehlt ihnen die Lobby. Das soll sich ändern. Ein Podcast macht den Anfang!
... Reportagen Kanu fahren auf dem Schluchsee!