Hipp oder Hipster?

Noch bekommt die kleine Tochter unseres Kolumnisten nur Muttermilch. Bald aber steht die Breiphase an - und damit eine Fülle an Möglichkeiten. Fingerfood oder Brei, Selbstgerührtes oder Fertigmatsch aus dem Glas, Wurstsalat-Terrine oder Tatar vom Gengenbacher Hochrind: Was soll er seiner Kleinen bloß servieren?

Text: Stephan Fuhrer

Es hat etwas Archaisches, wenn ich in diesen Tagen mein kleines Töchterchen beim Nuckeln an der mütterlichen Brust beobachte. Genuss? Davon können wir sicher noch nicht sprechen. Das gierige Saugen und Schlucken verrät: Hier geht es lediglich darum, einen unbändigen Hunger zu stillen. Das hingebungsvolle Schlemmen kommt später. Ich freu’ mich drauf! Schließlich habe ich mit der Ernährung meiner Kleinen im Moment nicht viel zu schaffen. Außer, dass ich die zahllosen Auffangbehältnisse für das Ende der Verdauungskette vom Drogeriemarkt nach Hause schleppe.

Also warte ich jetzt auf die Breiphase. Das könnte sich noch ein paar Monate hinziehen. Ein paar Infos vorab schaden aber nicht. Und die gibt’ s natürlich im Netz. Darin diskutieren trendbewusste Eltern derzeit, ob das mit dem Brei überhaupt noch nötig ist. Warum nicht gleich mit Fingerfood einsteigen? Jakobsmuscheln und Lachskaviar auf mit Olivenöl aufgeweichten Einkorntalern lassen sich auch auf einer Säuglingsfelge kauen. Ich stelle mir erst mal die Grundsatzfrage: Fertigmatsche aus dem Glas oder selbst gerührte Möhrengrütze? Hipp oder Hipster? Für Genussbotschafter ist das eine Frage der Ehre.

Selbstverständlich macht der Papa alles selbst! Die kleinen Gläschen fürs Matschmenü habe ich längst in Palettenmenge geordert. Genauso wie das ein oder andere Ratgeberbüchlein. Was braucht man jetzt noch? Einen Thermomix? Einen elektrischen Babybreiwärmer? Einen Reer Multimax Travel 2 in 1, der gleichzeitig das Fläschchen desinfiziert? Ich schätze mal, ein Topf fürs Wasserbad und ein Pürierstab reichen fürs Erste ...

Es liegt wohl in der elterlichen Natur, dem Nachwuchs die eigenen Werte vermitteln zu wollen. Der Papa isst und kocht halt gern. Und meine Erstgeborene soll das später bitteschön auch. Genauso wie sie die harte Gitarrenmusik und das Gekicke eines abgestürzten Fußballvereins lieben soll. Okay, die Wahrscheinlichkeit bei Iron Maiden und dem FCK ist nicht sonderlich groß. Beim Essen hege ich aber durchaus Hoffnung, dass Vater und Tochter zueinanderfinden.

Also tüftle ich bereits an leckeren Rezepten. Was darf rein? Erst mal nur ein Matsch aus Wasser und Gemüse, lese ich. Kein Fleur de Sel dazu, nicht mal ein Borettane-Zwiebelchen. Wie langweilig! In der dritten Woche darf dann Fleisch in den Topf. Endlich! Womit steige ich bloß ein? Mit einer Wurstsalat-Terrine? Einem Tatar vom Gengenbacher Hochlandrind? Ein bisschen #heimat sollte sein, damit das Mädel gleich weiß, wo sie kulinarisch zu Hause ist.

Und dann wird der große Tag kommen. Ich werde liebevoll den Silberlöffel anrichten und ihn der Kleinen unter die Nase heben. Und was wird sie wohl tun? Angewidert den Kopf wegdrehen und nach Mamas Brust schreien. Man hat’ s nicht leicht als Papa.

#heimat Ortenau Ausgabe 7 (2/2017)

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#heimat, der Genussbotschafter für den Schwarzwald 

In der Zeitschrift #heimat geht es um Genuss in der Region, um (kulinarische) Traditionen und gute Adressen, um Manufakturen und Menschen. Idee und Konzept für #heimat stammen von Chefredakteur Ulf Tietge und seinem Team. Das Magazin wurde 2016 mit dem Ortenauer Marketingpreis ausgezeichnet und ist inzwischen bundesweit erhältlich.

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