Anfang der 1970er in der kalifornischen Bay Area. Während langhaarige Hippies der freien Liebe frönen und prall gefüllte Joints die Luft mit süßlichem Rauch schwängern, stürzen sich waghalsige Freaks in offenen Flanell-Hemden und zerschlissenen Jeans nur mit Rücktrittbremse und fetten Stollenreifen auf den Felgen ihrer modifizierten Schwinn-Vorkriegsräder fernab der asphaltierten Wege über Geröll, Sand und Baumwurzeln vom Mount Tamalpais – und schreiben damit Geschichte.
Es ist die Geburt des Mountainbikens. Erst Subkultur, dann Trendsport, wird es 1996 olympisch und schwappt über den Atlantik – bis in den Schwarzwald, nach Hornberg, wo einer sofort Feuer fängt: Ferdinand Hug. Bis heute. Den auf Initiative des Landratsamts Ortenaukreis neu eröffneten Hornberger Felsentrail würde es ohne sein Engagement heute so nicht geben.
Die abwechslungsreiche Strecke durch den Hornberger Stadtwald hat es in sich. Der Ausblick vom ikonischen Windeckfelsen allein belohnt für den schweißtreibenden Aufstieg bis auf 705 Meter. Ins Tal runter führt ein rasanter Flowtrail, anspruchsvoll und abwechslungsreich. Für #heimat haben wir uns mit Ferdinand Hug verabredet und aufs Bike geschwungen. Einen Tag später wissen wir: Fahrspaß und Freizeitvergnügen in allen Ehren. Aber für die Ortenau bedeutet das Mountainbiken inzwischen weit mehr …
Unterwegs mit einer Koryphäe
Mit dem Mountainbiken hatte Ferdinand Hug bis vor 25 Jahren so wenig zu tun wie die Heimat des Bollenhuts mit dem Goldrausch. Heute gilt die Region um Hornberg vielen Bikern als Eldorado ihres Sports – und seit seiner schicksalhaften Transformation vom Industriemechaniker zum Mountainbike-Crack vor 25 Jahren ist Hug einer ihrer Pioniere. „In Hornberg gab’ s damals einen der ersten Mountainbike-Händler in der Gegend. Freunde holten sich dort Bikes. Ich fand das cool und hab mir auch eins zugelegt“, erzählt er uns. Kurze Zeit später übernahm er das Geschäft.
Heute verkauft und repariert Hug in demselben Gebäude Räder, in dem er einst seine Mechaniker-Lehre machte. Wir treffen uns um Punkt zwei auf dem Parkplatz der inzwischen zum Gewerbekomplex umfunktionierten Industriehalle. Ein Schaufenster gibt es nicht, der Eingang liegt auf der Rückseite. Nur am Schild ist der Laden zu erkennen. Doch das ist egal. „Wer zu uns kommt, weiß sehr genau, warum“, erzählt uns Hug im Vorfeld.
Nach langem Warten auf gutes Fotowetter sind jetzt endlich auch wir da. Handshake: „Servus, Ferdinand“, „Hi, Uli“. Alles klar. Wir gehen rein und gleich nach oben. Ferdinand hat für uns schon zwei E-Bikes präpariert, die nächste Evolutionsstufe im Mountainbiking. Weil damit auch diejenigen den Berg hochkommen, die darüber ohne Motor erst gar nicht nachdenken würden. „Vom Berg runterkommen musst du aber immer noch selbst“, scherzt er wissentlich. „Da hilft kein Motor. Nur die richtige Fahrtechnik.“
Klingt ganz nach meinem Geschmack. Ich bin Purist. Einen Motor? Brauch’ ich nicht. Neugierig bin ich trotzdem. Außerdem: Zwischen uns und dem markanten Zielpunkt des Felsentrails, dem Windeckfelsen, liegen immerhin rund 550 Höhenmeter. Insgesamt ist die Strecke rund zwölf Kilometer lang. Möchte man die ganze Strecke fahren, sollte man locker vier Stunden einplanen. Wenn mir die Puste ausgeht, kann ein kleiner Extra-Boost nicht schaden, denk ich mir. Los geht’s. Als wir den Hornberger Wohnmobilstellplatz direkt unter dem Eisenbahn-Viadukt Richtung Immelsbacher Höhe passieren, schießt das Adrenalin in meine Venen. Aufstieg.
Chance für den Tourismus
Hornberg besteht aus drei Teilen: Niederwasser, das Stadtgebiet und Reichenbach, zu dem der Stadtwald gehört, in dem wir unterwegs sind. Ferdinand ist im Reichenbacher Seitental Schwanenbach aufgewachsen, wo der größte Teil des Felsentrails entlangführt. Das Gebiet ist mehr als 300 Hektar groß. Ferdinand ist der perfekte Guide. Die Gegend kennt er blind.
Der Anstieg macht überraschend viel Spaß. Dank des 250 Watt starken E-Motors gleite ich förmlich den Berg hoch, ohne, dass es zu einfach fiele. Leichtes Anschwitzen an diesem gefühlten Spätsommertag mitten im Herbst. Die Sonne strahlt vom azurblauen Himmel wie gemalt durch das dichte Blätterdach des Mischwalds, der gerade begonnen hat, sich in unendlich viele Gelb-, Braun- und Rottöne zu färben. Ferdinand kommt ins Quatschen.