Ein wunderbares Wochenende am Kaiserstuhl

Wo die Wildbienen summen und sich die Smaragdeidechsen tummeln, ist ein idealer Ort für ein langes Wochenende 

Text: Pascal Cames · Fotos: Michael Bode

Loblieder gibt’s viele über den Kaiserstuhl. Gelobtes Land. Badens Toskana. Tatsächlich ist er eine Insel im Rheintal, mit sensationellen Ausblicken nach Ost und West sowie großartiger Weinkultur. 

Freitag, 16:00 Uhr 

Da ich von Endingen über die Katharinenkapelle nach Bischoffingen laufe (Kaiserstuhlpfad bis Katharinenkapelle, dann Querweg bis Mondhalde), hole ich mir in der Bäckerei Grieshaber die Weckle und bei Metzger Dirr den Wildschweinschinken und hausgemachte Mortadella. Hausgemachte Mortadella! Wo gibt’s das noch? Natürlich geht’s von hier den Buckel hoch und wie zu erwarten an Kirsch- und Nussbäumen vorbei sowie auf den vielbesungenen Hohlwegen durch den Löss. Der Löss ist eine Ansammlung von Gebirgstaub, der sich hier über Millionen Jahre festgesetzt hat. Das und das Vulkangestein darunter sind die Garanten für den Wein – neben den goldenen Händen der Winzer. Auf meinem Weg nach Bischoffingen habe ich Zeit zum nachzudenken, wie viel Italien im Kaiserstuhl steckt. Bei Holgi in Bischoffingen hole ich das vorab bestellte Rad, bei Köpfers Steinbuck checke ich dann ein.

Samstag, 10:00 Uhr

Zuerst mal eine große Schlaufe. So lautet der Plan für meine Radtour. Mit einem E-Bike geht’s ja flott, und so sause und strample ich durch die grüne Welt des Kaiserstuhls von Kirchturm zu Kirchturm und vergesse die Namen. Bickensohl? Amoltern? Ortsfremde blicken’s noch weniger. „Wir fahren nach Vogtsburg“, höre ich öfters. Klar, nur besteht Vogtsburg aus 13 Gemeinden, unter anderem Königschaffhausen, die Kirschenhauptstadt. Oder wie der Einheimische sagt: Königschaffhüse, wo ich einen Hofladen (mit Wein) besuche, eine Eisdiele mit Hofladen (mit Wein) und eine Bäckerei ohne Hofladen aber mit der sagenhaften Kaiserstühler Walnusstorte, die viel mit der Engadiner Walnusstorte zu tun hat. Die Hintergründe erklärt mir Daniel Jenne in seiner Backstube. Es war ein Kaiserstühler Konditor namens Werner Weber, der 40 Jahre in der Schweiz arbeitete, mit 65 wieder heimkam und es nochmal wissen wollte. Zum Beispiel mit besagter Walnusstorte. Da im Engadin null Walnussbäume wachsen, aber Tausende im Kaiserstuhl, war die Sache klar. Alle Zutaten kommen von hier, sagt Konditor Jenne und das, was man idealerweise dazu schlürft, auch: Grauburgunder.

Samstag, 12:30 Uhr

Auch mit E-Bike kommt der Hunger. „Flammkuchen ist meine Lieblingsspeise“, sagt Bianca Johner, die Tochter des großen Winzers Karl Heinz Johner. Bianca’s Gastronomie ist wie ein Sechser im Lotto. Gesetzt, bestellt und zehn Minuten später duftet der Classic mit Käse und Speck in die Nase. Die Weinkarte macht mich stutzig. Weine aus Neuseeland? Statt die badische Weinpolizei anzurufen, frage ich nach. Die Antwort liefert mir ein Mann, der sich mit „Ich bin’s Original“ vorstellt. Karl Heinz Johner (72) hat halt noch ein zweites Weingut in Neuseeland. Nach einem Chardonnay und einem Auxerrois verlasse ich die lustigste Hütte des Kaiserstuhls in Richtung Burkheim.

Samstag, 14:00 Uhr 

Das einzige Korkenziehermuseum der Welt befindet sich in Burkheim. Was man nicht alles aus diesem simplen Werkzeug machen kann! Ein Fisch kann genauso gut ein Korkenzieher sein wie Superman, eine Banane oder eine Eule. Manche sind klein und handlich, andere eher sperrig. Die goldene Designer-Regel von Form follows Function gilt nicht. Die delikatesten Werkzeuge sind durch kreisrunde Löcher wie bei einer Peepshow zu bestaunen. Wie der Wein ist auch der Flaschenöffner ein Ding für Erwachsene. 

Burkheim ist mindestens so schön wie das schönste elsässische Weindorf. Es gibt herrschaftliche Häuser, Höfe, Hofläden (mit Wein), Cafés, Hoftore, Fachwerk und Steinhäuser. Ein Hingucker ist auch das alte Schloss, das immer noch ohne Dach ist. So ist es richtig. Wer würde das Heidelberger Schloss sanieren wollen? Mit Wehmut verlasse ich diesen romantischen Platz und rolle nach Bischoffingen zum Besten der Besten. Grauburgunder!

Samstag, 16:00 Uhr 

Das Epizentrum des Grauburgunders liegt tatsächlich im Kaiserstuhl, wo schon früh erkannt wurde, dass mit dem fetten Ruländer nur ein Vollrausch zu holen ist, aber mit einem Grauburgunder (gleiche Rebsorte, anders ausgebaut) der Genuss. Wie ich in der WG Bischoffingen erfahre, gibt es mehr als einen. Darum steige ich in eine Weinprobe ein und probiere drei Weine. Alle haben sie ihren großartigen Moment. Für die Terrasse aber ist der Enselberger (Kabinett trocken) vielleicht der beste. Er prickelt ein bisschen im Mund. Der Kellermeister nennt ihn saftig, so wird’s mir erzählt, und so fühlt es sich an. Danach sause ich via Oberbergen, wo das Imperium Keller (Gastronomie und Wein) regiert, auf die Anhöhe Schelinger Alpen. Dieser Pass hat seine ganz eigene Flora und Fauna. Summen hier die Wildbienen? Blühen hier die Orchideen? Natürlich! Sogar der Lavendel wächst und blüht, rieche und sehe ich später in Bischoffingen im Lavendelshop.

Samstag, 19:00 Uhr

In Köpfers Steinbuck erwartet mich eine sensationelle Aussicht und ein feines Menü. 

Sonntag, 9:00 Uhr

Mit dem Zug fahre ich von Oberrotweil nach Breisach. In Breisach muss man auf den Münsterberg hoch, so wie das fast alle Touristen machen, die mit einem Kreuzfahrtschiff anlegen (Pro Jahr stoppen 1400 Schiffe!). Oben bestaune  ich in der Kirche Martin Schongauers Wandgemälde und spüre den Franziskaner Klostergarten auf mit dem Kaiserstuhl in Blick. Da war ich, denke ich und da und da auch. Aber nicht auf dem Vogesenblick, nicht auf dem Totenkopf, nicht in der Vogelstrauße, nicht bei Winzer Wagner … Gut, es muss Gründe geben zum Wiederkommen, hier liegen sie vor mir. Im Klostergarten wachsen Kräuter und und seltene Rosen, manchmal spielt hier eine Band. Sonntagmorgens ist aber Stille. 

Aber nur fast. Bei Andreas Landwehr faucht die Kaffeemaschine. „31 Kaffeesorten rösten wir,“ ruft er mir zu wie Kapitän Ahab im Sturmgetöse. Sein Pop-up-Café Coffee & More hat nur offen, wenn es nicht regnet. Aber mal ehrlich, wann scheint nicht die Sonne? Auch im Café Ihringer unten am Marktplatz ist ewiger Sommer. Dort erfahre ich die Hintergründe der Mailänder Torte. Die Oma des jetzigen Chefs wollte immer nach Mailand. Der Wunsch wurde mit einer Torte ausgebremst, die der Kuppel des Mailänder Doms nachempfunden ist. „Jetzt musst du nicht mehr nach Mailand“, soll der Bäcker gesagt haben. Breisach ist seit über 4000 Jahren besiedelt. Und ging je ein Breisacher nach Italien? Nein, die Römer kamen hierher! So ist das hier, alle Welt kommt in den Kaiserstuhl. Auch ich – und ich komme wieder!

Unsere Tipps für den Kaiserstuhl

Hotels

Weinhotels: Was liegt näher, als im Kaiserstuhl Hotel und Wein zu verbinden? Bei dieser Vielfalt! Sechs Hotels führen dieses Label. www.naturgarten-kaiserstuhl.de/de/uebernachten/weinhotels

 

Restaurants

Zur Lilie (Im Liliental): Ideal für einen Snack oder Kaffee und Kuchen. Die Karte ist klein, die Freude groß. 

Merkles Pfarrwirtschaft (Hauptstraße 2, Endingen): Hier bringt der Sternekoch Thomas Merkle regionale Küche à la Fine Dining.  

Köpfers Steinbuck (Steinbuckstraße 20, Vogtsburg): Ambitionierte Küche, vegetarisches Menü, ausufernde Weinkarte und sensationeller Ausblick. Auch ein Weinhotel.

Jauch’s Löwe (Eichstetter Str. 4, March): Fine Dining mit Sinn fürs Regionale (Spargel!) und ein Herz für Vegetarier. Auch toll als Hotel.

Gasthaus zur Limburg (Am Rhein 2, Sasbach): Schäufele und Schnitzel im Biergarten, Kalbsbraten und Cordon bleu im Restaurant. Klingt gut, schmeckt gut. 

Dutters Stube (Wintererstraße 28, Endingen): Tafelspitz, Kalbskopf, Bachforelle, Nierle ... In Kiechlinsbergen weiß man zu kochen.

Gasthaus zum Kaiserstuhl (Niederrotweil 4, Vogtsburg): Käse aus Frankreich, aber heimische Rezepte wie die Winzerterrine. Sehr fein!  

Heidi’s Küfer (Eisenbahnstraße 9, Ihringen): Hier kommt Baden wildbayrisch daher. Der Flammkuchen ist ein Hit. Top Weinkarte! (Siehe auch Heidi’s Holzöfele)

Bianca’s Gastro (Gartenstraße 20, Vogtsburg): Die Flammkuchenwirtschaft mit exzellentem Hauswein von Weingut Johner.

 

Cafés & Co.

Café Ihringer (Marktpl. 1, Breisach): Die Torten wachsen nach oben, der Mensch in die Breite. Schicksal? Das ist Breisachs feinste Adresse. 

Heart Café (Mittelstadt 19, Vogtsburg): Hübsch gemachtes Café im wunderhübschen Burkheim!

 

Museen

Korkenzieher Museum (Mittelstadt 18, Burkheim): Endlich! Dieses Werkzeug hat ein Museum verdient. 

Weinbaumuseum (Schlossbergstraße, Vogtsburg): Wer wissen will, wie Trauben zu Wein werden, muss nach Achkarren ins Museum! 

Kunsthalle Messmer (Großherzog-Leopold-Platz 1, Riegel): Hier wird die Moderne Kunst in einer ehemaligen Brauerei gefeiert.  

 

Einkaufen

Metzgerei Dirr (Marktpl. 3, Endingen): Markus Dirr ist der Schinkenkönig vom Kaiserstuhl. Tipp: Salami, Mortadella und seine Bratwürste ... 

Eismanufaktur (Untere Guldenstr. 10,  Königschaffhausen): Hausgemachtes Eis für die Terrasse oder zum Mitnehmen. Mit Hotel Garni.

Miriams Geschmacksache  (Breisacherstraße 10-12, Ihringen): Kaffee und Kuchen, Badische Tapas und eine Vinothek. Perfekt!

Bäckerei Jenne (Guldenstraße 24): Die wohl leckerste Walnusstorte der Welt und anderes Feingebäck.   

Bauernladen (Endinger Straße 21, Königschaffhausen): Kirschsaft, Bauernbrot, Nüsse u. v. m.

Lavendelshop (Dorfstraße 8, Vogtsburg): Die Provence im Kaiserstuhl? Ja klar, hier in Bischoffingen ist sie!

 

Aktiv

Ziegenwanderung (www.ziegenhotel.de) Immer schön langsam und kein Gemecker. Bestimmt mit Schnäpsle.  

Holgi’s Fahrrradwerkstatt (Unterholz 3, Vogtsburg) E-Bike und Radverleih, aber auch Werkstatt.  

Bike Escape: Dem Rätsel auf der Spur und dabei den Kaiserstuhl kennenlernen, ist spannend. Mehr unter www.kaiserstuhl-escape.de

 

Wein & Co.

WG Bischoffingen (Bacchusstraße 20, Vogtsburg): Machen sie hier den besten Grauburgunder? Testen! 

Hausbrennerei Baumgartner (Badberg 9, Vogtsburg): So bescheiden die Baumgartners sind, so erfolgreich sind sie auch.

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