Claudi und Lotte: Die Zwillinge vom Bohnet Hof

Auf dem Hof ihrer Eltern haben Claudi und Lotte Bohnet ihr Glück gefunden

Text: Pascal Cames Fotos: Daniel Schoenen

Einen Hof haben: Felder pflügen. Kartoffeln setzen, ernten, verkaufen. Morgens und abends die Kühe melken. Dazu Stall misten und Zäune aufstellen. Außerdem: den Traktor reparieren. Sowie täglich: das Essen kochen, bei den Hausaufgaben helfen und das bisschen Haushalt. Und nicht zu vergessen: Berichte schreiben, Anträge stellen und Zeiterfassung. Kurz und gar nicht gut: Das ist Landwirtschaft und nicht Bullerbü. 

Zwar gibt es in Deutschland immer noch 260 000 landwirtschaftliche Betriebe, aber jährlich hören 3500 Bauern ganz auf. Die Gründe sind vielfältig:  Zu viel Arbeit, zu wenig Freizeit, zu wenig Verdienst, zu viel Bürokratie und noch mehr Frust. Sehr große Betriebe können sich ein eigenes Büro leisten, kleine Betriebe müssen den Papierkram am Feierabend stemmen. Das sind ein paar Gründe fürs Höfesterben.

Diejenigen die weitermachen, sind auch nicht mehr die jüngsten. Im Ländle sind etwa 38 000 Landwirte über 35 Jahre alt, aber nur 3500 unter 35 Jahre. Die Alten gehen bald in Rente. Und was dann?

Familie & Struktur 

Dann braucht’s etwas Optimismus.  Etwas Hoffnung glimmt noch. Landwirt als Beruf ist ein bisschen zum Trend geworden etwas mehr als 4000 Ausbildungsverträge werden pro Jahr abgeschlossen.  Und es gibt junge Leute wie die Zwillinge Claudia und Charlotte Bohnet (34) aus Mußbach bei Freudenstadt. Die Geschwister bewirtschaften seit 2014 den elterlichen Bohnet Hof, der schon seit 200 Jahren in Familienhand ist.  Lotte und Claudi (so ihre Spitznamen) haben ein paar Sachen geändert und vieles übernommen, weil es schon gut war. 

Wie ihre Eltern haben sie Kühe. Aber die Eltern hatten Milchkühe, die Geschwister setzen auf Mutterkuhhaltung. Auf dem Weg zu den Kühen im Offenstall (da haben die Tiere mehr Bewegung) erzählen Lotte und Claudi, dass sie  die Mutterkuhhaltung besser fanden, da sie dadurch mehr freie Zeit haben – kein Melken!

Die Tiere sind entweder im neugebauten Stall oder auf den Weiden, die rings um Mußbach verteilt liegen. „Die Kühe sind ein halbes Jahr draußen, Tag und Nacht“, erklärt Claudia das Konzept im charmanten Schwarzwälder Dialekt, der ein paar Kilometer östlich von FDS schon original Schwäbisch klingt. Etwas oberhalb des Hofs stehen auf der Weide weitere Kühe. Jede Mutterkuh hat auch ein Kalb.  „Zehn Kühe, zehn Kälber“, sagt Lotte. 

Für Claudi und Lotte war es eigentlich immer klar, dass sie das gemeinsam wuppen werden. „Die sind immer zusammen“, zitiert Lotte ihren Onkel Otto, der auch mithilft. Immer zusammen heißt, dass sie meistens einer Meinung sind und wenn nicht, dann eben diskutieren und nicht streiten.  Beide haben sie studiert und hätten auch etwas anderes machen können. Aber Claudia wollte als Agrarwissenschaftlerin nicht im Labor arbeiten, sondern lieber mit ihrer Schwester auf dem Hof. Und für Lotte war es eh klar, dass der Bohnet Hof auch in die nächste Generation geht. „Wir sind mit der Geschichte behaftet, auch wenn man sich nichts davon kaufen kann“, sagt sie. Ein weiteres Argument war  „auf dem Hof leben und sein eigener Chef sein.“ Woanders leben können sie sich auch nicht vorstellen.

„Die Struktur war schon gut“, erzählen die beiden. Die geht zurück bis in die 80er-Jahre, weil damals der Vater seinen Verdienst steigern wollte. Aber nicht durfte. Wie das?  Vor fast 40 Jahren wollte Georg Bohnet die Milchquote erhöhen. Er wollte sich mehr Kühe zulegen, um mehr Milch abliefern zu können. Einfache Rechnung: mehr Milch, mehr Geld. Aber das wurde ihm nicht erlaubt. Was tun? 

Freunde überzeugten ihn von Bioland und von einem neuen Geschäftsmodell als Direktvermarkter ohne Zwischenhändler. So wurden die Bohnets Direktvermarkter und stellten 1989 auf Bioland um. Das kam gut an. Vor allem im eigenen Geldbeutel. In der Hofhütte lässt sich das Konzept bestaunen. Hier hat’s die eigenen Kartoffeln, den eigenen Honig, eigene Eier, selber gebackenes Brot sowie zugekaufte Wurst und Nudeln. Wenn’s mal pressiert, muss man seinen kleinen Einkauf nicht im Supermarkt erledigen. Zudem haben die Eltern einen Kundenstamm aufgebaut. Bis vor die Tore Stuttgarts verteilt sich die Kundschaft. 

Das Brot geht auch auf die Kappe der Geschwister. Als sie den Hof übernahmen, wollten und mussten auch sie den Verdienst steigern, da sie beide Familie haben. Brot und Weckle kommen sehr gut an. Zurzeit ist ein Sauerteigbrot in der Mache, erzählt Lotte, die hier Regie führt. Was aber, wenn mal die eine keine Zeit hat oder krank ist?

Raues Land

Claudia als Agraringenieurin kann auch backen, Charlotte kann auch Landwirtschaft. Zudem haben sie sich auf ein Konzept geeinigt, dass sie sich gegenseitig nicht die Arbeitsstunden aufrechnen, die jeder geleistet hat. „Jeder macht, was er kann“, sagt Claudia. „Es gäbe nur Ärger, alles kann man nicht aufrechnen“, ergänzt Charlotte. Hier wächst nicht nur Dinkel, sondern auch Vertrauen.

Viele Felder und Flächen liegen weiter östlich auf einer Hochebene. Dort, wo Dinkel und Kartoffeln wachsen, pfeift ein rauer Wind. Auch wenn die Sonne scheint, es ist frisch. Die Erde ist so steinig, dass man mit den Steinen  eine  Pyramide bauen könnte. Eigentlich ist das eine Grünlandregion, erklärt Claudia, aber was sie anpflanzen, ist genügsam. Und die beiden sind es auch.  

Georg Bohnet, der Vater der beiden, dem man seine 79 Lenze nicht ansieht, kommt auf dem Traktor angerauscht. Wann be-ginnt die Schafferei? „Kurz nach dem Aufstehen“, witzelt er. 60 Prozent würde er noch arbeiten. Eine weitere Hilfe ist Georgs Bruder Otto. Auch Mama schafft mit. „Ohne die Familie geht es nicht“, sagt Claudi, „ansonsten müssten wir noch eine dritte Kraft einstellen.“

Wie im Heimatfilm scheint auch heute die Sonne, als die beiden jungen Frauen wieder in den Stall gehen. Die Kühe brüllen. Es hört sich fürchterlich an, aber es ist nur Futterneid. Apropos Futter: Auch die Hühner brauchen etwas zum Picken. 

Das mobile Hühnermobil mit seinen 200 Hühnern steht mitten auf der saftigen Wiese, durch die der Stockerbach  fließt. Ein mobiles Hühnerhaus ist zwar ein logistisches Meisterwerk, aber es läuft auch nicht von alleine. Heute muss das Hühnerhaus an einen neuen Standort gerollt werden. Also geht’s rüber auf die Wiese, Claudias Sohn Julius stiefelt mit. Vielleicht liegt hier das Erfolgsgeheimnis? Einfach dabei sein und mitmachen. Aber das reicht ja nicht, es braucht eine gutes Konzept und eine Familie, die mit anpackt. Landwirte wird es immer geben. Vielleicht noch weniger als heute, aber es wird sie geben. Vielleicht gehört Julius Bohnet dann dazu? 

Der Bohnet Hof ist seit 1822 in Familienbesitz und immer noch ein reiner Familienbetrieb, der mittlerweile von den Schwestern Claudia und Charlotte Bohnet geführt wird. Weitere Helfer sind die Eltern, ein Onkel sowie die dritte Schwester. Die Landwirtschaft (40 Hektar) wird um etwa 30 Hektar Wald ergänzt. Zum Hof gehören Bäckerei und Hofladen. Mittwochs sind sie auf dem Markt in Baiersbronn, freitags in Freudenstadt. Montags wird beliefert. 

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