Alle im Fluss

Lust auf einen kleinen Badeausflug in die Schweiz? Das Schwimmen in Flüssen ist bei unseren Nachbarn besonders beliebt. Von Basel bis Zürich und über die Grenze ins Markgräflerland – so schön ist das Schwimmen in Aare, Limmat & Rhein.

Text: Stephan Elsemann

Frisches Wasser, sich einfach treiben lassen und dazu ein klein wenig Abenteuer – Baden in Flüssen ist mit nichts zu vergleichen. Gerade hier im Süden blicken viele neidisch ins Nachbarland Schweiz, wo das ganz selbstverständlich ist. Doch auch auf der anderen Seite der Grenze ziehen Naturliebhaber das natürliche kühle Nass den klassischen Schwimmbädern vor.

So wie in Freiburg, wo die Einheimischen die kleine Dreisam mit ihren bescheidenen Wassermengen zu Badebassins aufstauen.Kleinste Winkel und Liegeflächen werden in Beschlag genommen, ein Zeichen dafür, wie groß der Wunsch ist, sich den Fluss als Part urbaner Lebensqualität zurückzuerobernAuch hierzulande hat Flussbaden eine lange Tradition. An der Spree in Berlin befanden sich früher einmal mehr als 40 Badeanstalten, bevor es schon um 1920 für das Baden im Fluss zu schmutzig wurde. Seit Jahren bemüht sich eine Flussbadeinitiative dort darum, einen kleinen Abschnitt derSpree für das Baden wieder zugänglich zu machen, bislang ohne Erfolg. 

Wo man sich in Deutschland noch schwer tut, das ist der Schweiz vergnügliche Realität, ob in Zürich, in Solothurn, in Bern und vor allem in Basel, wo ein Bad im Rhein heute für viele Einheimische zur täglichen Gewohnheit geworden ist. Mitte der 1980er Jahre war das noch nicht einmal zu ahnen, bis 1986 ein Chemieunfall bei Sandoz in Schweizerhalle den Rhein vergiftete. Das war eine Zäsur, die eine drastische Wende in der Umweltpolitik bewirkte. Binnen weniger Jahre wurde das Wasser sauberer. War das Rheinschwimmen in den ersten Jahren nach Sandoz noch mit Zivilcourage verknüpft, so ist es heute offizielle Politik.

Basel stellt die Infrastuktur wie Einstiege und Treppen zur Verfügung, und hat Bojen postiert, die zeigen, wo es gefährlich werden könnte, weil große Frachtschiffe vorbeifahren oder Strudel drohen. Ihre Schwimmfähigkeiten müssen die Schwimmer allerdings selbst einschätzen. Denn anders als im Schwimmbad sind keine Bademeister zugegen, die professionell helfen würden, wenn es brenzlig würde. Überall an den Ufern der Kleinbasler Seite sind Rettungsringe und Schilder mit Warnhinweisen aufgestellt, die ernst zu nehmen sind. Der kostenlose Spaß zieht seit einiger Zeit Touristen aus ganz Europa an.

In vielen Sprachen unterhalten sich Menschen, die sich im Wasser treiben lassen, manchmal auch auf holländisch, wie Mareike und Thijs van Bommelen, die unerfahrene Schwimmer sind und ganz sicher ihr Risiko unterschätzen. Wenige Tage vor dem großen offiziellen Rheinschwimmen am 12. August sind die beiden auf dem Weg nach Italien in den Urlaub und haben einen kurzen Stopp in Basel eingelegt. Sie hatten gehört, dass man in Basel im Rhein schwimmen kann. Das wollten sie sehen und erleben. Zu Hause in Nijmegen am Niederrhein, dort, wo das Wasser, in dem sie gerade schwimmen, ein paar Tage später vorbeifließt, geht das nämlich nicht. Im Gegenteil – was in Basel und der gesamten Schweiz ganz selbstverständlich ist, wird in Düsseldorf gerade verboten, nachdem es zu viele Badeunfälle gab – zu viele mit tödlichem Ausgang. 

Und ein Risiko ist immer da, ungeachtet der vielen Schwimmer. Bernhard Fleuti kann ein Lied davon singen. Der Berner ist Rettungsschwimmer seit 45 Jahren. Tief eingegraben umschlingt die Aare die malerische Berner Altstadt, einer der spektakulärsten Orte, um darin zu schwimmen. Wie in Basel hat die Stadt Bern Voraussetzungen geschaffen, die das Schwimmen erleichtern, Treppen zum Ein- und Ausstieg installiert mit rot lackierten Geländern, damit man sie schon von weitem sieht. Doch das Wasser der Aare ist sehr schnell und der Ausstieg muss zeitig geplant werden.

Häufig "warten die Leute viel zu lange, bis sie es nicht mehr schaffen, zur Treppe zu schwimmen, " sagt Fleuti. Und womöglich war es dann die letzte vor dem gefährlichen Stauwehr. Vorbereitung ist also Pflicht, vor allem für Besucher von außerhalb, und dies bedeutet, zu schauen wie man hienin, und wo man wieder herauskommt, und vor allem, die eigene Leistungsfähigkeit realistisch einzuschätzen. Temperatur, Wassermenge und Fließgeschwindigkeit können sich sehr schnell ändern in der Aare. Das Wasser kommt aus dem Thuner See. Dreht der Wind auf Nord, gelangt kaltes Tiefenwassser an die Oberfläche, das in kürzester Zeit in Bern ankommt. Waren es eben noch angenehme 22 Grad, sind es auf einmal nur noch frische 17 Grad. "Nicht länger als eine Minute pro Grad Wassertemperatur baden," ist die Regel der Schweizer Lebensretter. Wer alle diese Ratschläge beachtet und gut schwimmen kann, hat ein unvergleichliches Erlebnis vor sich: sich kilometerweit in schönster Umgebung in der Aare treiben lassen.

Aron und Massimo sind jeden Tag am Altenbergsteg zu finden. Hier geht es um Sehen und, vor allem, Gesehen werden bei einem Salto von der Brücke oder waghalsigen Sprüngen von der Affenschaukel. Es sind Übungen, die man besser den Locals überlässt. Zwischendurch gibt's Kühles zu trinken von der Trybhouz-Bar. Am Altenbergsteg ist die Aare ein wenig ruhiger als vor dem Marzilibad, der anderen beliebten Badestrecke und so gechillt ist der Sommer in der gediegenen Hauptstadt. An Verbote denkt man hier nicht so schnell. 

Die gesetzlichen Regeln für das Baden in Flüssen sind in Deutschland und der Schweiz gar nicht so verschieden, doch bei der Handhabung zeigen sich die Unterschiede. Das kann man auch in Zürich erleben. Hoch oben auf der Brücke stehen Kinder und gleich werden sie sich zehn Meter hinunter in den Fluss stürzen. Dieses kleine Acapulco liegt oberhalb des Flussbades „Unterer Letten“ an der Limmat in Zürich. Das Brückenspringen unter den bewundernden Blicken der Badegäste ist ein Abenteuer, das hier niemand unterbinden würde, auch wenn es eigentlich nicht erlaubt ist.

Zürich ist eine badeverrückte Stadt, mit der vermutlich größten Bäderdichte auf der Welt. Fünf Bäder befinden sich am Zürichsee, sieben normale Freibäder sind über die Stadt verteilt, und dazu kommen noch fünf Flussbäder. Wem das nicht reichen sollte, der kann fast überall auch außerhalb der Bäder ins Wasser springen. Limmat und Zürichsee laden mit jadegrünem, blitzsauberen Wasser dazu ein. Und überall kann man die Einheimischen beim Schwimmen beobachten.

Jeder findet hier das Bad das zu ihm passt. Baden im See oder im Fluss? In einem Schwimmbad oder oder in natürlichen Gewässer? Unter Frauen, unter Männern oder gemischt? Alles geht. Die historischen Flussbäder sind allerdings eine Hauptattraktion, vor allem für Gäste aus Deutschland, die so etwas nicht kennen. Gebaut wurden die Bäder ursprünglich nicht fürs Vergnügen, sondern zur Körperpflege. Deswegen ist auch auch heute noch ist der Eintritt gratis.

Der „untere Letten“ wurde 1909 gebaut. Das Bad mit der schönen historischen Holzkonstruktion zieht die Jungen und Schönen an, die sich auf den Holzplanken in der Sonne aalen. Achtung beim Nachmachen. Denn wenn etwas aus der Tasche fällt, flutscht es leicht durch die Schlitze zwischen den Holzplanken und verschwindet auf Nimmerwiedersehen im Wasser. Das „Schatztauchen“ unter den Planken gehört somit zum Frühsport der Bademeister. Wie in Bern rauscht auch das Wasser der Limmat hier mit großer Geschwindigkeit hindurch. 100 Kubikmeter Wasser pro Sekunde sind ein normaler Wert. Das sind rund 500 Badewannen voll. Im sicheren Rahmen des Kastenbades bekommt man als Neuling eine Ahnung davon, wie mächtig die Strömung sein kann, wenn man den Treppe zum Ausstieg verpasst und gegen den Auffangrechen am Ausgang des Bades gepresst wird. Der Wasserdruck ist so stark, nur mit vollem Körpereinsatz kann man sich an den Stangen nach oben aus dem Wasser ziehen.

Ruhiger geht am „oberen Letten“ zu, zumindest im Wasser, denn die Strömung ist hier träge. Dafür ist an den Ufern umso mehr los. 400 Meter lang beiderseits der Limmat reiht sich Badetuch an Badetuch auf den Terrassen. Wer wirklich Ruhe sucht und männlichen Geschlechts ist, wird sich vielleicht im Schanzengraben wohlfühlen. Im Jahr 1864 gebaut ist es Zürichs ältestes Bad und nur Männern vorbehalten. In intimer und beschaulicher Atmosphäre trifft man auf Berufstätige, die ihre Mittagspause hier verbringen und viele orthodoxe jüdische Männer, die aus religiösen Gründen nicht mit Frauen zusammen baden dürfen. Am Abend ist es hier mit der Ruhe vorbei, wenn im Schanzengraben die stimmungsvolle „Riminibar“ öffnet. Pendant für Frauen, die für sich sein wollen, ist das das Bad am Stadthausquai an der Limmat, auch ein historisches Kastenbad, das abends zur „Barfussbar“ wird, zu der dann auch Männer Eintritt haben, so wie in der Riminibar Frauen. Gäste aus Südbaden können die sommerliche Schweiz einmal von einer ungewohnt preiswerten Seite genießen – denn zum Gratisentritt im Flussbad gibt es ein Gratisrad dazu, auszuleihen am Bahnhof bei einem Tagesausflug ins Badeparadies Zürich.

Flussbäder wie in der Schweiz findet man auf der deutschen Seite leider nicht, doch dafür etwas anderes: Die Isteiner Schwellen. Die Stromschnellen im Altrhein zwischen Efringen und Istein gelegen, werden von Nacktbadenden, Familien und Goldsuchern besucht. Gemeinsam ist allen die Begeisterung für einen wunderschönen und einzigartigen Ort, ein Überbleibsel aus der Zeit vor der Rheinregulierung im 19. Jahrhundert.

Auch hier ist beim Baden Vorsicht geboten. Eine Aussichtsplattform verschafft Überblick. Was sich dem Auge als friedliches Nebeneinander aus Kiesbänken und kleinen Wasserläufen darbietet, kann sich in kürzester Zeit in einen reißenden Strom verwandeln. So schnell kann das gehen, dass man vom Handtuch aufspringen und die Flucht ergreifen muss. Denn wenn es zuvor intensiv geregnet hat, wird das Stauwehr oberhalb am Fluss in Märkt bei Weil für den Altrhein geöffnet, um die Wassermassen zu kanalisieren. Doch das kann man vorher herausfinden und meistens ist Niedrigwasser.

Direkt vor der Plattform und links davon suchen vor allem Familien zwischen Kies und Auewald ihren Platz. Zum zweiten Mal ist Flurina Tanzeglock mit ihren drei Kindern und der Oma gekommen, aus Zaessingue im Elsass gleich hinter dem Wald gegenüber, nur ein paar Kilometer Luftlinie entfernt. Die kleine Alba, ihre Mutter an der Hand, steht im schnellen Wasser und gluckst vor Vergnügen, ihre älteren Brüder Noah und Kjell sind fasziniert von den Fröschen, so viele auf einmal haben sie noch nie gesehen. Die Besucher hier kommen aus Frankreich, Deutschland und vor allem aus der Schweiz, denn für die Basler ist die Anfahrt nur ein kleiner Ausflug mit dem Fahrrad – 13 Kilometer am Rhein entlang.

Wie in Basel selbst badet man hier im Rhein, doch ganz in der Natur. Einen Kiosk sucht man an den Schwellen vergebens. Wer vergessen hat, Verpflegung mitzubringen, kann auf dem Rückweg zum Zug in Istein oder Efringen einkehren. Der Rückweg zum Isteiner Bahnhof lohnt sich, denn Istein mit seinem Klotz ist sehenswert. Die Dimensionen des urspünglichen Rheintals werden auf dem Weg zum Klotz erlebbar. Denn bis unten an den wuchtigen Felsen schwappte das Wasser des ungebändigten Rheins noch ins 19. Jahrhundert, bevor Tulla mit der Regulierung begann. 

Schwimmen in der Schweiz

badi-info.ch

Freier Eintritt in den Flussbädern: 

Au-Höngg (Werdinsel)

Oberer Letten

Unterer Letten


Basel:

Auch in Basel gibt es zwei historische Flussbäder: St. Johann und Breite

Das Basler Rheinschwimmen am 12. August:

https://slrg-basel.ch/basler-rheinschwimmen/

 

Bern:

Info über die Badebedingungen in der Aare

aare.guru

 

Isteiner Schwellen:

Anreise: Sehr angenehm gelangt man in der Kombination aus Zug und Fahrrad zu den Isteiner Schwellen. Fahrräder reisen auf der Rheintalstrecke gratis mit. Aussteigen in Efringen-Kirchen. Von dort sind es nur 1,5 Kilometer bis zur Aussichtsplattform. Die Wege sind gut ausgeschildert.

Ob der Wasserstand das Baden an den Isteiner Schwellen erlaubt, erfährt man hier:

Hochwasserzentrale Baden-Württemberg

www.hvz.baden-wuerttemberg.de 

aaremarzili.info

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