Nur: Wie viele Touristen verträgt eigentlich der Nationalpark Schwarzwald, in dem man die Natur schützen und zugleich Menschen von ihr begeistern will? „Wichtig ist ein cleveres Vorgehen – damit die Grenzen nach oben gar nicht spürbar werden“, sagt Wolfgang Schlund. So ziele etwa die Zusammenarbeit mit der Nationalparkregion und ihren vielfältigen touristischen Angeboten und Attraktionen auch darauf ab, Besucher ökologisch verträglich zu verteilen. Künftig soll zudem ein digitales Lenkungstool dabei helfen, beliebte Ausflugsorte wie den Lotharpfad zu entlasten.
Da soll was zusammenwachsen
Im US-amerikanischen Yellowstone, dem ältesten Nationalpark der Welt, droht Massentourismus mancherorts die Natur zu zerstören. Gäste, die Müll hinterlassen oder Bären auf die Pelle rücken, sind dort als „Tourons“, einer Mischung aus Tourist und Idiot, bekannt. Jemand hat ihnen einen eigenen Instagram-Kanal gewidmet. Mit solchen Bildern im Hinterkopf ist man eigentlich froh, dass mancher Bus, der sommers im Stundentakt den Ruhestein ansteuert, voller sein könnte und die Waldtiere scheu geblieben sind …
Wie geht es weiter? Die sogenannte Kernzone wird schrittweise bis 2044 auf drei Viertel der Gesamtfläche ausgeweitet. Insgesamt soll der Nationalpark Schwarzwald, einer der kleinsten der Welt, wachsen. Ziel ist, bis 2026 das südliche und nördliche Teilgebiet zu vereinen. „Ich persönlich bin da grundsätzlich offen“, sagt Landrat Frank Scherer. „Allerdings ist es meines Erachtens sehr wichtig, dass dieser Schritt transparent diskutiert und vorbereitet wird und dabei auch klar herausgearbeitet wird, ob und wie die Region davon profitieren kann und wo es andererseits welche Einschränkungen geben wird. Das ist bisher noch nicht hinreichend passiert.“
Mit der geplanten Erweiterung brechen Konflikte wieder auf, die bereits vor der Gründung des Schutzgebietes zu Protesten und Streit geführt haben: etwa mit Waldbesitzern, die um ihre Existenz fürchten. Das Land Baden-Württemberg will für die Erweiterung Land von der Waldgenossenschaft Murgschifferschaft kaufen. Die will aber lieber den Tausch gegen ein größeres Waldstück.
Wenn die Zusammenführung der beiden Nationalparkteile klappt, könnte der Forbacher Ortsteil Hundsbach von dem Schutzgebiet umschlossen werden – und diese Aussicht begeistert nicht alle Einwohner. Kürzlich ist die Nationalparkleitung mit Kritikern aus dem Ort in den bereits mehr als 50 Jahre alten Nationalpark Bayerischer Wald gefahren, um Ideen für ein besseres Zusammenleben zu bekommen. „Für mich ist wichtig: Was wir jetzt für Hundsbach erarbeiten, muss für den ganzen Park passen“, sagt Wolfgang Schlund. In der Diskussion sind etwa Wegsperrungen, wie die Anwohner an Brennholz kommen oder ob sie an ausgewiesenen Plätzen in Zukunft Pilze sammeln dürfen.
Anwohner fremdeln noch
„Im Vergleich zur Gründungsphase ist die emotionale Lage heute deutlich entspannter, Kritiker und Befürworter haben gelernt miteinander zu leben“, findet Landrat Frank Scherer. Viele Ortenauer seien stolz auf den Nationalpark. Dennoch sei es noch nicht gänzlich gelungen, die Bevölkerung vor Ort umfassend mitzunehmen. Manches Mal spüre er da noch ein Fremdeln „mit den Naturschützern vom Nationalpark“.
Wolfgang Schlund und sein Team wollen in jedem Fall auch weiter Touristen und Anwohner für die Wildnis begeistern. Im Herbst soll im nördlichen Teilstück des Nationalparks, im ehemaligen Rossstall Herrenwies, ein weiteres kleineres Besucherzentrum eröffnen, mit einer Ausstellung zur besonderen Beziehung von Mensch und Natur im Schwarzwald.
Der Wunsch des Nationalparkleiters: Die Schwarzwälder sollen sich mit ihrem Nationalpark identifizieren. Und mit ein bisschen Aufklärungsarbeit können bis zum nächsten Jubiläum auch alle Nationalpark, Nationalparkregion und Naturpark auseinanderhalten …