Der Herr der Schienen

Der verrückteste Modelleisenbahnbauer im Schwarzwald kommt aus Bad Dürrheim: Markus Horn. Wir sind mal eingestiegen…

Text: Daniel Oliver Bachmann Fotos: Benedikt Spether

Die Hymne „Auf der schwäb’schen Eisenbahn“ muss umgeschrieben werden! Dort halten die Züge nämlich nur in Stuttgart, Ulm, Biberach, Meckenbeuren, Durlesbach. Und keiner in Bad Dürrheim. Vielleicht, weil der Kurort an der schwäbisch-badischen Grenze liegt, einen Tick mehr in Baden? Oder, dass er vor fast 60 Jahren vom Eisenbahnnetz abgekoppelt wurde? Wichtige Fragen, lebt in Bad Dürrheim mit Markus Horn doch einer der prominentesten Modelleisenbahnbauer Deutschlands.  

Seine Züge sind im Maßstab 1:87 unterwegs. Viel Platz braucht er trotzdem: In seiner Wohnung werden nahezu alle Zimmer befahren. Nur im Schlafzimmer und in der Küche stehen die Signale noch auf Rot. Die Betonung liegt auf noch: „Klar gibt’s ein Platzproblem“, bestätigt Markus. „Ich bin ein Künstler, der an seinem Lebenswerk baut.“ Einer mit Tausenden Followern auf YouTube, mit denen er seine Modelleisenbahnträume teilt. Die setzt er mit so viel Liebe zum Detail um, dass wir gar nicht wissen, wohin wir zuerst schauen sollen …   

Vielleicht zu den winzigen Alphornspielern? Drückt der Herr der Anlage einen Knopf,  ertönt ein Schweizer Kuhreigen – nicht die einzige Reminiszenz an die Heimat seines Vaters. Da gibt es die Schweizer Zollstation und Lokomotiven mit Waggons bekannter eidgenössischer Unternehmen wie der Dreier AG Suhr und der Bertschi AG Dürrenäsch. An einem Abbruchhaus schwingt ein Bagger seine Abrissbirne. „So eine wird nur noch in der Schweiz verwendet“, erzählt Markus. Er muss es wissen: Neben dem Beruf des Elektroinstallateurs hat er Baugeräteführer gelernt, war Berufskraftfahrer und ist ausgebildeter Krankenpfleger mit der Fachrichtung Psychiatrie. Überall auf der Anlage finden wir Szenen aus diesen Berufsfeldern. „Darin verarbeite ich meine Erfahrungen“, bestätigt der Tüftler. „Meine Modelleisenbahn ist eine Mischung aus realer Welt und Fantasie.“ Aus der realen Welt hat es die Pandemie auf die Modelleisenbahn geschafft. Es gibt einen Edeka-Laden mit dem Namen seiner Frau Natalie als Inhaberin, in dem sich Kundenpüppchen ums Klopapier balgen. „Das habe ich erlebt“, sagt Markus Horn. 

Was hat es dann mit dem Rotlicht-Viertel auf sich? Eine Zeitlang war er als Kameramann tätig, und offenbar auch dort, wo die Lichter etwas greller blinken. Das Schöne an der Modelleisenbahn ist, dass gleich nebenan die heile Welt lockt: In diesem Fall in Form eines großen Zoogeländes. „Zoos liebe ich“, sagt der Modelleisenbahnbauer. „Jedes Jahr am Geburtstag besuche ich einen.“ Weil nicht jeden Tag Geburtstag ist, gibt es in seinem Zoo sogar ein Elefanten- und Giraffenhaus, für das der versierte Bastler flugs ein Elektrizitätswerk umgestaltete.

Die Eisenbahn im Wohnzimmer 

„Als Krankenpfleger lernte ich viel über die Psyche der Menschen“, erzählt Markus und deutet an, dass ihm die reale Welt nicht immer behagt. „In meiner dagegen ist es stets schön!“, sagt er. So schön sogar, dass fast jeder Fernsehsender ihn und seine Frau, die ebenfalls ein Händchen für den Modellbau besitzt, schon eingeladen hat. Am meisten berührte ihn jedoch die Anfrage vom Verein Herzenssache: „Ein krebskranker Junge, der nicht mehr lange leben durfte, wollte mich kennenlernen und die Anlage sehen“, erzählt er. „Es wurde ein schöner Tag für uns alle!“

Der Meister hat als Kind klein angefangen – mit einer Eisenbahn, die nur im Kreis fuhr. Natürlich wurde Markus die Sache schnell langweilig, und er erweiterte in den Flur. „In meiner ersten Wohnung nahm ich bereits Wanddurchbrüche vor und sägte Schränke durch, damit die Züge ungestört unterwegs waren“, berichtet er. 

Die aktuelle Anlage begann im Keller. Irgendwann verbrachte er dort so viel Zeit, dass seine Frau vorschlug: Warum holst du sie nicht hoch? Heute fahren derart viele Züge durch die Wohnung, dass der Bastler den Überblick verloren hat. Behauptet er mit einem Augenzwinkern – doch wer ihn kennenlernt, merkt rasch: Der Mann hat den Überblick! Selbst den Geisterzug, der übers Jahr in einem Tunnel verborgen bleibt und nur zu Halloween seine Runden dreht, verliert er nicht aus den Augen. Wer sich so gut in der Welt der Eisenbahnen auskennt, hat bestimmt schon mal eine ausgewachsene Lok gefahren? Volltreffer! Natürlich war Markus Horn auch schon als Triebwagenführer unterwegs. „Vor allem nach Friedrichshafen und Ulm“, ergänzt er. Also doch auf der Schwäbischen Eisenbahn! Nur nicht auf seiner Lieblingslokomotive aus der Baureihe 52. Diese Dampflok dreht dafür in seiner Wohnung ihre Runden. Womöglich bald auch im Flur, denn dorthin expandiert die Modelleisenbahn. „Das wird eine jahrelange Baustelle“, kündigt Markus an, „obwohl ich ungeduldig bin. Doch beim Planen und Bauen darf ich mir keine Fehler erlauben. Alles braucht seine Zeit.“ Geplant und gebaut werden eine Unterwasserwelt und eine Winterlandschaft. Über diese soll ein heftiges Gewitter ziehen. Blitze und Donner sind bereits als Sound- und Lichtmodule installiert. 

Zum Abschied drückt der Modelleisenbahnbauer auf einen der unzähligen Knöpfe, die überall in der Anlage versteckt sind: Täuschend echt grollt Donner, prasselt Regen, zucken Blitze. Draußen dagegen scheint die Sonne über dem Kurort. Manchmal hat eben auch die reale Welt ihre Vorzüge. 

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