Museums-Check: Deutsches Phonomuseum in Sankt Georgen

Das Museum erzählt von einem Bruderzwist, von brennenden Grammophonen und dem Comeback des Plattenspielers

Text: Thomas Steiner

Der Klang ist ziemlich kratzig, der Tenor tönt blechern, das Orchester kämpft sich aus dem Orkus des Trichters heraus. Musik mit historischer Patina. Kein Vergleich mit dem, was an digital bearbeiteten Sounds aus heutigen Ohrhörer-Knöpfen kommt. Jürgen Weisser hat das alte Grammophon mit der Handkurbel in Gang gesetzt, nun läuft das Federwerk im Innern. Im Deutschen Phonomuseum in St. Georgen wird die Ur- und Frühgeschichte der Tonwiedergabe ausgestellt. Hier gibt es Phonographen, Trichtergrammophone und Plattenspieler zu sehen. Alles, womit früher die Musik ins Wohnzimmer kam. 

Fast 400 Ausstellungsstücke finden sich in dem Museum auf zwei Stockwerken. Warum aber in St. Georgen? Weil die Schwarzwaldstadt einst ein großer Standort der Phonoindustrie war. Dual und Perpetuum Ebner, kurz PE, hießen die Firmen, die hier seit den 1920er-Jahren Grammophone bauten. Ab Anfang der 50er-Jahre fabrizierte Dual als erste Firma in Europa Plattenspieler für die neuen Singles und LPs aus Vinyl, in den 60er-Jahren wurden in St. Georgen die ersten deutschen HiFi-Plattenspieler entwickelt. Der Erfolg war immens: Dual hatte in den 60er-Jahren neben dem Firmensitz vom Elsass bis Friedrichshafen zehn weitere Werke und zeitweise 3500 Mitarbeiter. 1500 waren es in den besten Zeiten bei PE, die Firma zählte ebenfalls zu den größten Phonoherstellern Europas.

Exponate auf der Rolltreppe

Heute ist davon nicht viel übrig. 1982 ging Dual in Konkurs. Die Konkurrenz aus Japan und die neue CD-Technologie ließen das Geschäft der Schwarzwälder einbrechen. Nur eine kleine Nachfolgefirma hält die Marke vor Ort lebendig und stellt noch Plattenspieler der gehobenen Preisklasse her. Auch PE ist heute als kleine Firma wiederbelebt.

1972 hatte Dual den pleitegegangenen Konkurrenten übernommen. Besser gesagt: die Bruderfirma. Denn die Geschichte von Dual und PE ist die Geschichte zweier Brüder. Josef und Christian Steidinger hatten Ende des 19. Jahrhunderts in der väterlichen Werkstatt gelernt. Die Familie stellte seit Generationen im Heimgewerbe Uhrenteile her – und selbst entwickelte Werkzeuge für die Uhrenherstellung. 

Die streitlustigen Brüder hatten das Tüftlertalent ihres Vaters geerbt. Erst getrennt, dann zusammen, dann wieder getrennt bauten sie ihre Firmen auf. Federwerke für Grammophone waren ihre Spezialität, ehe sie die Phonoapparate in Gänze produzierten. 

Jürgen Weißer hat selbst bis 1972 bei PE gearbeitet. Sein Onkel Gottlob Weißer, auch bei PE beschäftigt, hatte Mitte der 50er-Jahre damit begonnen, historische Phonogeräte zu sammeln, nach seinem Tod übernahm das der Neffe. Bei Dual gab es auch einen werkseigenen Sammler, Walter Grieshaber. 1972 wurden beide Bestände zusammengeführt, im neuerbauten St. Georgener Rathaus wurde damit das städtische Phonomuseum eröffnet. Vor sechs Jahren ist es in die heutigen Räume umgezogen, die zuvor die Filiale einer Kaufhauskette beherbergt hatten. Auf der stillgelegten Rolltreppe stehen heute Grammophone. 

Betrieben wird das Museum von einem Arbeitskreis mit zehn Mitgliedern. In den Museumsräumen haben sie sich auch eine Werkstatt eingerichtet – „auf dem Stand der 70er-, 80er-Jahre“, so Weisser. Dort werden neu erworbene Ausstellungsstücke restauriert, aber auch Dual- und PE-Geräte von Privatleuten repariert.

Große Hits und heiße Luft

Jürgen Weisser erklärt bei Führungen alles. Wie zum Beispiel bei den Phonographen des US-amerikanischen Erfinders Thomas Alva Edison Schallschwingungen in die Schwingungen einer Nadel übersetzt wurden und diese eine Rille in eine Walze aus weichem Wachs ritzte. Wenn man die Walze härten und die Nadel wiederum durch die Rille gleiten ließ, kamen die Töne wieder heraus. 

Das Problem: Jede Walze war ein Original, vervielfältigen ging nicht. Erst als der Deutsch-Amerikaner Emil Berliner die flache Schallplatte erfand, war das möglich, von einer Matrize konnten viele Exemplare gepresst werden. Und so trat das Grammophon seinen Siegeszug an.
In den 1920er-Jahren gab es allein in Deutschland rund 200 Hersteller solcher Geräte. 

Im St. Georgener Phonomuseum stehen nun allerlei Exemplare. Auch Modelle ohne Trichter gibt es, denn den empfand das Publikum irgendwann als stillos. Stattdessen ging der Trend zur Truhe: Der Ton wurde durch einen Unterbau verstärkt. Zum Beispiel bei dem Grammophon, das wie ein Schwarzwälder Bauernhaus gestaltet ist. Zehntausend solcher Modelle hat Dual verkauft, so Weisser, vor allem in die USA. 

Nicht nur Sachen, die sich durchgesetzt haben, sind im Phonomuseum zu sehen, auch Kuriositäten. Zum Beispiel ein Grammophon, das mit einem Heißluftmotor samt Spiritusbrenner angetrieben wurde – so manches Exemplar soll in Flammen aufgegangen sein. Oder ein Konzertgrammophon mit zwei parallel stehenden Tonarmen für eine Art Stereowiedergabe.

Fast zu kurz kommen bei all diesen Wunderdingen die modernen Plattenspieler, die später von Dual und PE gebaut wurden, als Elektromotoren die Federwerke ablösten. In den späten 60ern wurden von Dual pro Jahr fünf bis acht neue Typen auf den Markt gebracht, eine „Inflation“, meint Weisser. 

Wer ein Faible für die gute Gestaltung von Geräten hat, für den wird das Phonomuseum zum Designmuseum: Hölzerne Gehäuse und leichtmetallene Tonarme, verschiedene Arten von Schaltern für die Laufgeschwindigkeiten, Stroboskope am Plattentellerrand – alles schön anzusehen. Vor allem, wenn man zu der wachsenden Zahl von Leuten gehört, die wieder Musik auf Langspielplatten kaufen. 

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