Das Rosendorf Nöggenschwiel im Südschwarzwald

Im kleinen Dorf Nöggenschwiel dreht sich fast alles um die Königin der Blumen. Das Rosendorf hat sogar einen Rosenkönig!
Wir haben Freddy I. getroffen und im Ort noch einige dufte Dinge entdeckt ..

Das kleine Dorf Nöggenschwiel ist das Rosendorf des Schwarzwalds. Auf 650 Einwohner kommen 15 000 Rosenstöcke. Wie kommt’s? Als Anfang der 60er-Jahre des vorigen Jahrhunderts der Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ ins Leben gerufen wurde, geschah dies, um in Deutschland das Dorf zu retten. Damals dachten viele, dass es in der Stadt besser, schöner und einfacher sei – vom fehlender Nestwärme war leider weniger die Rede. Jedenfalls: Nöggenschwiel, das heute zu Weilheim gehört, wurde auch vom Wettbewerbsfieber angesteckt. Aus gutem Grund: Sie wurden dazu ermuntert! Wie der ehemalige Bürgermeister Karl Tröndle (1923-2016) in seinen Erinnerungen schreibt, standen vor den 52 Häusern 52 Misthaufen. Die gute Landluft! Wer dachte damals schon an Rosen?

Ein Hoch auf die Gemeinschaft!

Die Geschichte geht so, dass die Menschen in Nöggenschwiel für den Wettbewerb gemeinsam die Ärmel hochkrempelten. Sie wollten gewinnen! Sie wussten, dass ihr Dorf das Potenzial dafür hat, und wollten ihr Ziel gemeinsam erreichen. Als nun der eine Nachbar das Haus neu bepinselte, machte es der andere nach. Als nun die eine Familie ihre Zäune ums Haus abbaute, machten es die anderen nach. Schaut schön aus! Das mehr als 700 Jahre alte Nöggenschwiel ist kein Dorf, wo die Häuser dichtgedrängelt wie eine Schafherde zusammenstehen, sondern es ist luftig gebaut. Offen. Auf einer Hochebene. Mit Weitblick. Als dann die Zäune verschwanden, wurde der freie Charakter noch stärker. Aber das Gesamtbild von einem heimeligen Dorf, das blieb erhalten.

War’s ein Wunder? Sicher nicht. Es war harte Arbeit und ä bissl Glück, denn Nöggenschwiel gewann 1965 den Wettbewerb zuerst in Baden-Württemberg und dann deutschland-weit. Von Rosen war aber immer noch nicht die Rede. Der damalige Bürgermeister Karl Tröndle, der sehr weitsichtig war, ließ sich nach vielen Gesprächen mit dem damaligen Gartenbaudirektor der Insel Mainau und Vizepräsidenten der deutschen Rosenfreunde, Josef Raff überzeugen, in einer Höhenlage von 720 Metern Rosen zu pfanzen. Einen Versuch war’s wert! Durch Josef Raff entstanden enge Kontakte zur Insel Mainau und zu Graf Bernadotte. So spannten Raff und Tröndle für die Idee Rosen und Rosendorf zusammen. Was aber sagten die Nöggenschwieler zur Idee, Rosen zu setzen?


Karl Tröndle zitiert in seinen Erinnerungen Raffs Bemühungen. „Ob sie denn statt Gemüse auch Rosen anpflanzen würden? Aber nein, die Dornen, war die Antwort. Als er jedoch sagte, dass die Rosen geschenkt wären, hatten die Frauen doch einen Platz für die Rosen.“ So kamen tausende Rosen ins Dorf, die von hunderten Händen eingepflanzt wurden. Aus Nöggenschwiel wurde das Rosendorf und aus Karl Tröndle der „Rosen-Karl“. Der mit dem Rosenvirus infizierte Josef Ra musste aber noch anderweitig Standhaftigkeit beweisen. In jedem Haus musste er einen Schnaps trinken.

3 TIPPS FÜR ROSENFREUNDE

Damit’s mit den Rosen klappt, sollte man sichergehen, dass die Sorte eine gute Bewertung hat (Widerstandsfähigkeit etc.), dass der Standort gut ist (sonnig) und dass sie organischen Dünger bekommt. Wichtig: Wer eine Rose durch eine andere ersetzt, muss auch die Gartenerde anpassen.

Der Rosenkönig

Heute präsentiert sich Nöggenschwiel als das Rosendorf schlechthin. Vom Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ spricht niemand mehr, dafür von den Rosen, als wären sie schon seit der Zeit der Hinkelsteine (in Nöggenschwiel steht einer!) hier daheim. Wer neu ins Dorf zieht, bekommt drei Rosenstöcke geschenkt. Die Schulkinder haben schon ein Rosenbeet. Merke: Früh übt sich. Die Landfrauen hegen ihre Beete, dazu Vereine und Cliquen. In Sichtweite von der Touristinfo im Roseneck stehen Marlies Bächle und Manuela Ebe an ihrem Beet. Warum Rosen? „Die duften gut, die haben eine schöne Farbe“, sagen sie. Die beiden sind ein geübtes Tandem, denn Rosen brauchen Zeit, Liebe – und eine Garten-schere. Rosen sind nicht nur schön fürs Auge, sondern auch für Freundschaften. Karl Tröndles Sohn Lothar, heute 68 und Elektromeister in Rente, war dabei, als die ersten Rosen im Ort ankamen. Er ist immer noch begeistert. „Heute wäre das nicht mehr möglich“, sagt er. Dieser Zusammenhalt!
Das, was damals den Gemeinschaftsgeist zum Blühen brachte, ist heute immer noch lebendig, wie man bei Marlies, Manuela und vielen anderen sowie bei Freddy Geng sieht. Der 22-jährige Schreiner und Küchendesigner ist der gekrönte Rosenkönig von Nöggenschwiel. Wenn man so will, von ganz Deutschland, schließlich gibt’s keinen an deren. Er hat nix dagegen, ist aber noch ä bissel schüchtern trotz einiger Auftritte. Wenn ein Touristenbus Station macht, dann kann es gut sein, dass er erkannt wird. Und dann muss er sich fotografieren lassen. Er lacht, als es beim Spaziergang im Dorf aus heiterem Himmel passiert. Der Rosenkönig! Und wie bekommt man dieses Amt? Ganz einfach: Es kann nicht immer nur Rosenköniginnen geben, im Sinne der Gleichberechtigung war’s also überfällig.

Der Rosenkönig hat keinen einzelnen Lieblingsplatz im Dorf, sondern viele. So hält er sich gerne im Schwarzwald-Rosen-Sortimentsgarten auf, wo fast 200 der 450 Rosensorten wachsen. Diese Oase mit Sitzgelegenheit ist eine Versuchsanstalt, denn was hier wächst, muss höhentauglich sein. Es ist nicht selbstverständlich, dass Rosen auf einer Höhe von 700 Metern wachsen. Fast alpin also. (Die Alpen sind auch von hier zu sehen, aber das nur nebenbei.) Die besonders robusten Sorten sind als „ADR“-Sorten gekennzeichnet, und wer noch mehr wissen will, kommt über einen QR-Code zu weiteren Informationen. Die Rosen haben so schöne Namen wie Emil-Nolde-Rose, Astrid-Lindgren-Rose oder Rokoko, die zarte hellrote Blätter hat. Die Mozart-Rose hat dagegen Blätter wie ein Veilchen. Manche Rosen wachsen wie ein Busch und können sogar zu einem Baum werden, weiß der Rosen-könig.

Auffallend sind die Farben, wie bei der leuchtenden Sorte Flaming Star, die von Besuchern schon dreimal zur Rose des Jahres gewählt wurde. Wer aber hier diesen magischen Duft sucht, der muss am Pfarrhaus vorbeigehen und dann neben der Kirche den Duftgarten ansteuern. Was hier wächst, hat Nase! „Jeder will schmöcke“, sagt Freddy im Dialekt. Auch Bienen schätzen das, darum Vorsicht und nicht einfach so die Nase reinstecken.

Rezepte rund um die Rose

Aber das war natürlich noch nicht alles. In den Gärten und Vorgärten stehen sie und in manchen Bäumen sind sie zu Hause. Es sind die Rambler-Rosen, die wie Schlingpflanzen
in der Rheinebene ihr Biotop erobern. Zwei oder drei Schritte weiter ist der Bouleplatz mit den Kugeln, wo alle spielen dürfen. Aber vielleicht steht auch der Sinn nach etwas ganz
anderem. Gegenüber ist die Gret Stube, wo es nicht nur leckeres Frühstück gibt, sondern auch Rosengelee gemacht wird. Die lustige Silvia Bohl steht dort in der Küche und
kocht gerade welches. Die Rosenblätter hat sie sich schon aus einem der vielen Gärten geholt. 200 Gramm Rosenblätter ohne Strunk und einen Liter Rotwein braucht sie für 28
Gläser Gelee. Um die 250 Gläser werden Jahr für Jahr hier produziert. „Das reicht gerade bis Mai“, sagt sie. Nicht immer klappt‘s wie gedacht, berichtet sie. Was aber kein Beinbruch ist. Wenn das Gelee zu füssig wird, dann schmeckt es wunderbar mit Eis. Ansonsten kommt’s als Aufstrich aufs Butterbrot oder als Chutney auf den Teller. 

Was ebenfalls das Leben versüßt, sind die Rosentage. Wie sagte es der Rosen-Karl: „Wenn man schon Rosen hat, muss man auch ein Fest machen.“ Tausende Besucher kommen extra dafür jedes Jahr aus dem Schwarzwald, der Schweiz und dem Elsass ins kleine Nöggenschwiel. Neben Umzug, Musik und einem bunten Programm gibt es Köstlichkeiten wie Rosengelee, Rosenlikör und sogar einen Rosenkaffee.

Wie der schmeckt? Einfach mal selbst probieren! Aber Vorsicht! Eventuell holt man sich den Rosenvirus und zieht nach Nöggenschwiel oder kommt mit einem Dutzend Rosenstöcken nach Hause. Schatz, der Misthaufen kommt weg! Wir pflanzen Rosen!

Frau mit Schürze rührt in einem Kochtopf

Immer gut rühren! Silvia Bohl beim Geleekochen. „Das Rosengelee schmeckt auf dem Brot, zu Vanilleeis und sogar zu Käse“, sagt sie. Na dann: Guten Appetit!

ZUTATEN
ca.50 g duftende (Wild-)Rosenblätter
¼ Liter trockener Rotwein
2 Zitronen (Saft)
600 ml Wasser

Die Rosenblätter vorsichtig unter kaltem Wasser waschen. Gut abtropfen lassen. Mit Rotwein, Wasser und Zitronensaft übergießen und zugedeckt ca. 10 Std. ziehen lassen. Einmal kurz aufkochen lassen und durchsieben. Die Flüssigkeit mit dem Gelierzucker unter ständigem Rühren zum Kochen bringen und min destens 5 Min. kochen lassen. Gelierprobe machen! Heiß in Gläser abfüllen.

Rosengelee wird aus einem Topf in Gläser abgefüllt.
Wer will Rosen kosten?

Die Nöggenschwieler Rosentage finden vom 2025 vom 12. bis 14. Juli statt. Rosenmarkt am Samstag und Sonntag, Festumzug am Sonntag.

Weitere tolle Artikel aus der #heimat

Aktuelles

Die Gewinner des Kuckucks 2025 stehen fest

Von der Halde bis zur Genusswerkstatt: Der Schwarzwald Genuss-Award „kuckuck 25“ hat wieder seine Flügel ausgestreckt und die beliebtesten Genusshelde...
Schwarzwald

Radeln am Hochrhein - #heimat Radrundtour

Lust auf eine Radtour am Hochrhein? Bei Eispausen, herrlichen Ausblicken und entspannten Kilometern entlang des Wassers kommen schnell Urlaubsgefühle ...
Schwarzwald

Gartenschau 2025: Expedition in den Schwarzwald

Vom 23. Mai bis 12. Oktober 2025 laden Freudenstadt und Baiersbronn zur Landesgartenschau Tal X ein – mit Blumen, Wald, Handwerk und kulturellen Highl...
Menschen

Fidelius Waldvogel: Schwarzwaldkabarett mit Traktor & Dialekt

Fidelius Waldvogel tourt wieder: Schwarzwald-Kabarett & Bulldogbühne – #heimat trifft Bühnenkultur.
... Schwarzwald Das Rosendorf Nöggenschwiel im Südschwarzwald