Fesch sieht der ältere Herr in der blauen Uniform aus. Wie ein freundlicher, neugieriger Vogel schaut er unter der Kappe zu den Leuten. Großes Lächeln. „Steiget ein!“, ruft er und klettert in den Waggon. „Suchet euch ein schön’s Plätzel!“, schwäbelt er. Schönes Plätzchen? Hier gibt es keine gepolsterten Sitze. Holzklasse. Von irgendwo zieht es herein. Ach herrje, der Zug steht ja immer noch. Doch dann, endlich, bewegt sich der Zug.
Sitzen in der Holzklasse
Kein Luxus. Nirgends. Die Passagiere sitzen in der Holzklasse, die es tatsächlich vor langer, langer Zeit gab. Es zieht immer noch, aber niemand stört sich daran. Heute sitzt man in Abteilen, deren Fenster nie aufgehen werden. Hier aber kann man sie selber kippen, dafür gibt es Hebel. Die Heizung könnte auch von Hand bewegt werden, in drei Stufen von gar nicht über mittel bis volle Pulle. Alte Emailleschilder zeigen, wo’s lang geht. Der „Abort“ ist das Klo. Ganz groß steht über der Tür „Nichtraucher“. Dann gibt es also auch ein Raucherabteil?
Züge wie dieser waren nicht nur Fahrzeuge zur Sommerfrische oder zur Arbeit. Bauern setzten einen Korb Eier oder einen Topf Meerrettich hinein, der dann in Freiburg von Markthändlern aus dem Zug geholt wurde. Auch Zeitungen wurden mit Zügen transportiert. Die einspurige Bahnstrecke Seebrugg–Titisee verkehrt nur dank Horst Jeschke und anderen Helden der Freizeit. 2008 sollte der Nebenbahnendbahnhof mit seinen Verladeanlagen abgerissen werden. Dann hätte Deutschland den letzten Bahnhof dieser Art für immer verloren. Das rief Eisenbahnfreunde auf den Plan, die eine Interessengemeinschaft gründeten und es schafften, dass dieser Bahnhof zum Museum wurde. Seitdem wird hier gewerkelt, werden alte Loks auf Vordermann gebracht, werden historische Feste gefeiert und Sonderfahrten angeboten. Um die 140 Leute aller Alters- und Berufsklassen packen an und schaffen am Wochenende.
Ganz viele dieser Geschichten beginnen in der Kindheit. Man ist selber mitgefahren und kann sich noch an die Gerüche erinnern oder an die Bilder, „wenn man durch den Zug bis zur Lokomotive schauen konnte“, wie ein mittelalter Mann sagt, der die Bahn noch aus der Kindheit kennt, als er im Hochschwarzwald mit den Eltern Urlaub machte. Viele hatten als Kind kleine Eisenbahnen und große Träume, die sich dann im Erwachsenenalter verflüchtigt haben, wie der schwarze Rauch im blauen Himmel. Erst als Horst, Kurt, Uwe und andere in Rente waren, kam die Zeit, um den Kindheitstraum Wirklichkeit werden zu lassen. Der eine ist Schaffner geworden, ein anderer glüht vor Leidenschaft und Hitze als Heizer an der Ofenluke, wieder ein anderer steuert den 70 Tonnen schweren Koloss (1180 PS!) mit den Waggons. Die Strecke Seebrugg–Titisee ist eine relative junge Strecke, denn als sie 1924 fertiggestellt wurde, waren die großen Projekte wie Schwarzwaldbahn und Höllentalbahn schon längst gebaut.
So schnell wie geflogen
Die Geschichte der Eisenbahn beginnt 100 Jahre früher in England. 1840 schrieb der in England tätige Schwarzwälder Uhrenverkäufer Andreas Löffler folgende Zeilen nach Hause: „Wir sind auf der Eisenbahn gefahren auf den Markt, das geht so schnell wie geflogen – ich wünsche, Du tätest das auch sehen.“ In Karlsruhe, wo der Großherzog residierte, machte man sich auch so seine Gedanken. Eine Eisenbahn war wichtig, um Geld zu verdienen, so wurde erkannt. Mit ihr kamen Güter, Menschen, Ideen von A nach B. Oder nach Aha.