In Tracht we trust

Was wäre #heimat ohne Bollenhut und Co.?
Ein Einblick in ein ganz besonderes Covershooting zum
10. Geburtstag – mit Expertenhilfe aus Gutach …

Text: Jana Zahner Fotos: Paul Wagner

Der ist ja ganz schön schwer“, staunt Model Anna Himmelspach. Zum ersten Mal trägt die ehemalige „Germany's next Topmodel“-Kandidatin aus Freiburg einen Bollenhut – und das Kunstwerk aus Stroh, Gips und Wolle bringt immerhin mehr als
1,5 Kilogramm auf die Waage. Wir sind zur Anprobe bei Mike Lauble,
1. Vorsitzender der Trachtenkapelle Gutach. Für ein ganz besonderes Covershooting anlässlich 10 Jahren #heimat dürfen wir die Tracht seiner Tochter ausleihen – eine besondere Ehre, denn so eine echte Bollenhut-Tracht kann man nicht wie ein Dirndl von der Stange kaufen. Es handelt sich um aufwendig gefertigte und oft über Generationen hinweg vererbte Kleider, die in der Regel (und in unterschiedlichen Ausführungen) ausschließlich von den Einheimischen in Gutach, Kirnbach und Hornberg-Reichenbach zu besonderen Anlässen getragen werden. Was die Tracht für Mike bedeutet? „Heimat“, sagt der Gutacher, und damit ist eigentlich alles gschwätzt. Obwohl er nur in drei Gemeinden im Kinzigtal zu Hause ist, steht der mehr als 200 Jahre alte Bollenhut heute für den Schwarzwald wie kein anderes Symbol. Und auch für die Entstehung unseres Magazins hat er eine besondere Bedeutung. Spulen wir mal ein gutes Jahrzehnt zurück …

Das Comeback des Bollenhuts

Wir schreiben das Jahr 2015, die zweite Ausgabe #heimat erscheint – und ab da geht es mit unserem Magazin richtig los! Auf dem Cover: Model Kim Klausmann mit rotem Bollenhut, blauem Mieder – dazu schwarzer Lippenstift und Nasenring. Hinter der mutigen Neuinterpretation der protestantischen Festtagstracht stehen der Fotograf Sebastian Wehrle und Modedesigner Jochen Scherzinger. Mit der Serie Fabulous Black Forest eröffnen die beiden Künstler neue Perspektiven auf Schwarzwälder Traditionen und brechen mit dem Heimatfilm-Klischee von der lieben Schwarzwald-Marie auf der grünen Wiese. Das kommt gut an!

Modernisierte Trachten-Porträts sind bald überall im Schwarzwald zu sehen. Dass Scherzinger und Wehrle wenig später nach einem Rechtsstreit um die Urheberschaft ihrer Werke getrennte Wege gehen, tut dem wachsenden Hype keinen Abbruch. Denn nicht nur die beiden, sondern auch der Offenburger Künstler Stefan Strumbel, viele weitere Kreativschaffende und Genusshandwerker setzen sich verstärkt mit Schwarzwälder Traditionen, mit Trachten, Kirschen, Kuckucksuhren und Co. auseinander. Das freut nicht nur die Touristiker, sondern auch die Köpfe hinter diesem Magazin. Themen schießen wie Pilze aus dem Boden, die Leserschaft wächst über Offenburg hinaus – aus #heimat Ortenau wird #heimat Schwarzwald. Heimatliebe ist wieder angesagt – und der Bollenhut sowieso.

Ist das Kunst oder kann das weg?

Doch nicht jeder Schwarzwälder feiert Wehrle und Co. Es bleibt zu diskutieren: Was ist Kunst, was ist Kitsch oder Kommerz? Und: Wie geht man im Schwarzwald mit Traditionen um – ohne in Banalisierung oder Rückwärtsgewandheit zu verfallen?

Mike Lauble von der Trachtenkapelle Gutach sieht es grundsätzlich positiv, dass die Schwarzwälder Trachten in den vergangenen Jahren wieder mehr in das Bewusstsein gerückt sind. Was ihm weniger gefällt: Wenn er auf Werbeplakaten billige Bollenhut-Imitate entdeckt oder wenn Künstler Trachten aus verschiedenen Teilen des Schwarzwaldes miteinander vermischen – etwa einen Bollenhut aus dem Kinzigtal mit einem Mieder aus St. Märgen kombinieren: „Oft werden Änderungen gemacht, die eigentlich nicht nötig sind. Die Trachten sind doch schön, wie sie sind.“

Ein bisschen künstlerische Freiheit haben wir uns bei unserem eigenen Trachten-Shooting erlaubt, wollen die Gutacher Tracht aber auch mit allem, was dazu gehört, zeigen: weiße Strümpfe aus Angora-Hasenwolle, roter Unterrock, eine weiße Bluse mit Puffärmeln, ein schwarzer Rock mit besticktem Mieder, eine Schürze, eine Haube aus Seide, der Bollenhut. Weitere Details sind der verzierte lila Schulterkragen, Goller genannt, und lila Bänder im Zopf. Etwas ganz Besonderes sind die sogenannten Mäschle, die wie den roten Bollenhut nur unverheiratete Frauen tragen. Der Zopfschmuck aus Perlenketten und Spiegelchen sollte wohl einst Männer anziehen – und den Teufel vertreiben.

Bis das alles perfekt sitzt! Ein bisschen Übung braucht das Anlegen einer Tracht schon, aber mit Mike Laubles Hilfe sieht Anna bald so aus, als habe sie nie etwas anderes getragen. Als krönenden Abschluss setzen wir den Bollenhut auf: Nur echt mit 14 Bollen, von denen elf sichtbar und drei nur im Ansatz zu sehen sind. Ein großer Bollen zeigt nach vorne, drei kleine nach hinten, so sitzt der Hut richtig herum. Wow! So ein Prachtstück findet man nicht im Touri-Shop. „Das ist schon eine Kunst, die Bollen so zurechtzuschneiden, dass sie schön füllig sind“, sagt Mike Lauble. Das kann keine KI imitieren ...

Vereine wie die Trachtenkapelle
Gutach haben es sich auf die Fahnen geschrieben, die protestantische Festtagstracht und das dafür nötige Handwerk zu erhalten. Vom Mäschle bis zum Bollenhut – es soll immer jemanden geben, der die Herstellung der einzelnen Elemente der Tracht beherrscht. Bis jetzt hat es immer noch geklappt, einen Nachfolger zu finden. Und Improvisation und Innovation sind im Verein durchaus erlaubt – sei es nun bei den Materialien für die Tracht oder der Musikauswahl für die Kapelle. „Unsere Traditionen entwickeln sich weiter“, sagt Mike Lauble. Er selbst sei das beste Beispiel – dass ein Katholik ohne eigenen Hof einen Trachtenverein leitet? Das sei früher undenkbar gewesen!

2025 wird es viel Aufmerksamkeit für den Bollenhut geben: In Hornberg–Reichenbach feiert der Musik- und Trachtenverein dieses Jahr
100. Geburtstag und bei den 750-Jahr-Feiern der Gemeinden Kirnbach und Gutach dreht sich ebenfalls viel um den ikonischen Hut und seine Geschichte. Mike Laubles Trachtenkapelle wird in zwei Jahren dann stolze 125 Jahre alt. Sein Wunsch: „Ich hoffe, dass die Tradition weiterleben kann und dass es weiterhin Leute gibt, die sie für kommende Generationen erhalten.“

Vielleicht tragen auch unsere Bollenhut-Fotos dazu bei, für die Schönheit der Tracht zu begeistern …

Paul macht Fotos!

Fotografiert haben wir im Offenburger room2create, Studio von Paul Wagner und Alina Eiberle. Einblick gibt es hier!

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