Zwischen Realität und Wahnsinn
Gerhard Mayer ist Psychologe und im weitesten Sinne so eine Art Geisterjäger mit wissenschaftlichem Fundament. In seinem Institut wurden auch die Phänomene im Waldlust unter die Lupe genommen
Herr Mayer, mal unter uns gefragt: Gibt es wirklich Geister und Gespenster?
Ich denke nicht, dass man das wissenschaftlich beweisen oder widerlegen kann. Das mainstream-wissenschaftliche Verständnis geht eher davon aus, dass keine existieren und dass man Phänomene, die auftreten, auf andere Art und Weise erklären kann. Es gibt allerdings auch Möglichkeiten, das aus der Sicht der Parapsychologie anzuschauen, ohne Geister in Betracht zu ziehen.
Das heißt konkret?
An unserem Institut haben wir Erfahrungen mit Phänomenen, die auch experimentell nachgewiesen sind. Allerdings sind sie nicht mit Modellen erklärbar, die allgemein vom wissenschaftlichen Mainstream anerkannt sind.
Woher kommt denn überhaupt unsere Faszination am Paranormalen?
Für viele Menschen ist eine Welt, die nicht so eindimensional ist, einfach interessanter als eine, wo alles prinzipiell erklärt werden kann. Für manche ist auch die Vorstellung wichtig, dass man nicht für alles, was einem passiert, verantwortlich ist. Dass alles bloß Zufall wäre, kann auch eine belastende Vorstellung sein.
Glauben Sie denn selbst daran?
Ich bin da offen. Ich lese viel und höre Berichte. Ich kenne Fälle, da fällt es mir schwer, alles psychodynamisch zu deuten. Bei den meisten Geistergeschichten bin ich der Ansicht, dass sie sich konventionell erklären lassen. Was ich allerdings nicht glaube: dass alles nur Wahrnehmungstäuschungen sind. Das wäre eine verkürzte Sicht der Dinge.
Sie arbeiten im Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene in Freiburg. Was machen Sie da?
Ich bin von der Ausbildung her Psychologe der Kulturwissenschaften und beschäftige mich zum Beispiel mit Fragen, wie in Medien über Paranormales berichtet wird. Ich habe auch schon untersucht, wie Jugendliche okkulte Inhalte in Filmen wahrnehmen, oder Feldstudien gemacht, zu Menschen, die hier im deutschsprachigen Raum schamanisch oder magisch okkult praktizieren. Dabei geht es auch um biografische Hintergründe. Was bringt die Menschen dazu, solche Dinge zu tun?
Sind Sie also kein Ghostbuster?
Nein, aber auch damit habe ich mich beschäftigt. Der Film ist tatsächlich eine Inspiration für Laien, die dann mit Messgeräten losziehen, um Geister „einzufangen“. Das funktioniert natürlich nicht, aber unsere Motivation ist im Prinzip ganz ähnlich: Wir wollen Nachweise für das Paranormale finden – allerdings auf wissenschaftlicher Basis.
2005 haben Sie auch das Hotel Waldlust unter die Lupe genommen. Wie wurden Sie darauf aufmerksam?
Da hat uns damals ein Mitarbeiter, der mit Veranstaltungen das Hotel am Leben erhielt, angesprochen. Aber es war für uns schwer zu durchschauen, ob das nur Marketing oder echtes Interesse ist. Deswegen sind wir vorsichtig und stufenweise vorgegangen.
Wie denn genau?
Wir sind mit zwei Fragestellungen dorthin gefahren. Die erste deckt sich in gewisser Weise mit dem der Geisterjäger: Könnte es sein, dass hier tatsächlich paranormale Phänomene auftreten? Aber der zweite Hauptaspekt war eben ein anderer: Was passiert da soziologisch und psychologisch bei den Menschen vor Ort? Wie kann es passieren, dass so ein Hotel zum Mythos wird und andere nicht?
Zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?
Beim zweiten Aspekt waren wir ganz erfolgreich. Für den Ruf spielt in jedem Fall die glanz- und wechselvolle Geschichte des Hauses eine Rolle. Um aber mal ein Beispiel zu nennen: Als wir die Leute interviewt haben, hieß es: Im Keller sollen Menschen in den 1920ern lebendig eingemauert worden sein. Wir waren dort und stellten fest, dass diese Mauer erst sehr viel später, wohl in den 1970ern gebaut worden ist. Man sieht daran, wie so ein Element zu allerlei Fantasien lockt.
Gibt es bei uns eigentlich noch vergleichbare Orte?
Sicherlich, aber in dem Ausmaß sind mir keine bekannt. Spuken tut’s natürlich an manchen Stellen, aber da muss man dann regional nachgucken. In alten Sagen oder Büchern etwa.